Wie Entwässerungssysteme Brände verbreiten können

Vorbeugender Brandschutz in öffentlichen Gebäuden und Sonderbauten schützt Leben

Es ist ein Szenario, das niemand erleben möchte: Man übernachtet in einem schicken Hotel und wacht plötzlich in einem verrauchten Hotelzimmer auf. Im Hotel brennt es. Die Flammen breiten sich schnell von Stockwerk zu Stockwerk aus. Erstaunlich ist nicht nur die Geschwindigkeit des Feuers, sondern auch sein unvorhersehbarer Weg – es verbreitet sich z. B. entlang der Abwasserleitungen. Was war der Grund für diese Katastrophe? Wurde der Brandschutz bei der Durchdringung berücksichtigt?

Brandschutzmaßnahmen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Gebäudesicherheit. Leider kommt es immer wieder vor, dass der Brandschutz im Bereich der Entwässerungssysteme vernachlässigt wird. Dabei können Abwasserleitungen im Brandfall als ungewollte Brand- und Rauchkanäle fungieren. Bricht ein Feuer aus, können sich Flammen, Rauch und Hitze sehr schnell über die Abwasserleitungen ausbreiten und so auch weitere Etagen in Brand setzen. Aus einem kleinen Feuer entsteht dann schnell ein verheerender Großbrand. In Hotels und anderen Sonderbauten gelten besondere Brandschutzanforderungen, um die Sicherheit vieler Menschen zu gewährleisten.
Bild: Clipdealer

In Hotels und anderen Sonderbauten gelten besondere Brandschutzanforderungen, um die Sicherheit vieler Menschen zu gewährleisten.
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Bedeutung von Brandschutz in der Entwässerung

Warum ist der Brandschutz in der Entwässerung vor allem für Sonderbauten wie Hotels so wichtig? In Hotels halten sich oft gleichzeitig sehr viele Menschen auf. Ein wirksamer Bandschutz ist essenziell, um das Leben und die Sicherheit der Hotelgäste zu schützen. Daher werden an den Brandschutz in Sonderbauten wie Hotels, öffentlichen Gebäuden oder in Wohnanlagen besondere Anforderungen gestellt.

Jedes Hotelzimmer gilt baurechtlich als eigenständige Nutzungseinheit und muss mit einer entsprechen Feuerwiderstandsdauer voneinander getrennt werden. „Dies ist auch im Entwässerungsbereich z. B. bei bodengleichen Duschtassen zu berücksichtigen. Man benötigt eine Abschottung im Bereich der Geschossdecken oder im Bereich der Zimmertrennwände. Das ist für die Entwässerung sehr wichtig und in der Vergangenheit oft vernachlässigt worden“, erläutert Manfred Lippe, von der IHK Mittlerer Niederrhein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für den baulichen und anlagentechnischen Brandschutz. Das sogenannte Deckenabschottungsprinzip für Leitungsanlagen und Bodenabläufe ist Teil der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR). Tabelle 1: Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-2 und DIN EN 13501-2.
Bild: Dallmer

Tabelle 1: Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-2 und DIN EN 13501-2.
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Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR)

Die MLAR wird von der Argebau herausgegeben und über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlicht. Mit der MLAR wird erläutert, wie die gemäß Musterbauordnung vorgegebenen (Brand-) Schutzziele erreicht werden können. Sie dient als Richtlinie für die Planung und Verlegung von Rohrleitungen und Abläufen im vorbeugenden Brandschutz. Die MLAR wird im Rahmen der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) als Planungs- Bemessungs- und Ausführungsregel in den Bundesländern bekannt gemacht und ohne Änderungen als LAR übernommen. In der MLAR, Abschnitt 3 und 4, werden die Anforderungen an Rohrleitungen einschließlich der erforderlichen Befestigungen und Dämmstoffe im Zusammenhang mit der Verlegung in Rettungswegen beschrieben. Die MLAR/LAR soll den vorbeugenden Brandschutz bei Leitungsanlagen verbessern und alle Beteiligten dabei unterstützen, das Gebäude in einem angemessenen und vertraglichen Sicherheitsstandard zu errichten. Die MLAR/LAR definiert ebenso die Ausführungsgrundsätze für die Durchdringung einer Rohrleitung oder eines Boden- bzw. Deckenablaufs in senkrechter Ausführung durch eine feuerbeständige Wand oder Decke. Danach sind Wand- und/oder Deckendurchführungen in Verbindung mit nationalen Verwendbarkeitsnachweisen (abZ / abP / aBG) in R 30/60/90/120-Qualität auszuführen.

Entwässerungstechnik im Brandschutzkonzept

Das Brandschutzkonzept ist eine wichtige Grundlage für die Planung von öffentlichen Gebäuden. Es berücksichtigt alle für das jeweilige Gebäude brandschutzrechtlichen Anforderungen und wird Bestandteil der Baugenehmigung. Die Entwässerungstechnik nimmt im Brandschutzkonzept einen nur sehr knappen Teil ein. „Meistens steht zur Entwässerungstechnik nur im Konzept: Die Leitungsanlagen-Richtlinie ist als baurechtliche Planungs- und Ausführungsgrundlage umzusetzen“. Damit ist aus brandschutzrechtlicher Sicht alles beschrieben“, erklärt Manfred Lippe. Das Konzept wird von einem Brandschutzplaner erstellt. Außerdem sind Architekt, Statiker und die Planungsbüros TGA involviert. Tabelle 2: Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bodenabläufen entsprechend der Musterbauordnung / den Landesbauordnungen.
Bild: Dallmer

Tabelle 2: Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bodenabläufen entsprechend der Musterbauordnung / den Landesbauordnungen.
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Jens Willmes ist einer der Geschäftsführer des familiengeführten Planungsbüros ISW Ingenieurgesellschaft mbH Schmidt & Willmes mit Sitz in Arnsberg, Hamm und Bochum. „Wir haben uns auf technische Ausrüstung spezialisiert. Unser Schwerpunkt sind Nichtwohngebäude wie Schulen, Kitas und Krankenhäuser, aber auch große Wohngebäude wie beispielsweise Studentenwohnheime“, erzählt Willmes. Wenn es um den Brandschutz für den Entwässerungsbereich geht, seien für ihn als TGA-Planer vor allem die Rohrleitungsdurchführungen in klassifizierten Bauteilen relevant. „Das heißt: Welche Wand und welche Decke sind wie klassifiziert? Wo besteht eine Anforderung an die Durchführung von Rohrleitungen wie wasserführende Leitungen, Elektroleitungen, Entwässerungs- und Lüftungsleitungen und sonstige Medien?“, so Willmes. „Durchführungen von Rohrleitungen durch klassifizierte Bauteile sind unsere häufigsten Anwendungsfälle im Bereich Brandschutz.“ Es sei wichtig, sich mit den Anforderungen an die Durchführung von Rohrleitungen intensiv auseinanderzusetzen.

Schnittstelle zwischen baulichem und gebäudetechnischem Brandschutz

„Der Entwässerungsbereich ist im Brandschutzkonzept nur relativ knapp enthalten, führt aber sehr oft zu Mängeln. Viele Details werden nicht beachtet“, weiß Brandschutzexperte Manfred Lippe zu berichten. Das Problem sei, dass Brandschutz im Studium eines TGA-Planers nicht abgedeckt ist und umgekehrt Brandschutzkonzeptersteller wenig Berührungspunkte zur TGA-Welt haben. „Das ist eine Schnittstelle, die nicht ganz einfach ist. Daher empfehle ich, dass TGA-Fachplaner sich regelmäßig in diesen Schnittstellen zwischen dem baulichen und gebäudetechnischen Brandschutz fortbilden. Es ist wichtig, dass sie darauf achten, dass die Schnittstellen im Rahmen der Planung und insbesondere im Rahmen der Umsetzung sauber eingehalten werden“, erläutert der Diplom-Ingenieur. Von Anfang an müssten sie brandschutztechnische Anforderungen regelkonform erfüllen und beachten. So sei es schon vorgekommen, dass bei Bodenabläufen und flachen Duschtassen einfach Kunststoff-Siphons ohne brandschutztechnische Eignung eingebaut wurden. „Wenn das von Vornherein nicht berücksichtigt wird, kostet es eine Menge an Geld, solche Fehler im Nachhinein zu korrigieren“, warnt Manfred Lippe.

Bei Bestandsgebäuden wird der Installateur zum Planer

In der Altbausanierung und in der Sanierung von Bestandsgebäuden gibt es oft keinen TGA-Planer. In vielen Fällen fehlt auch ein genehmigtes Brandschutzkonzept. Gleichzeitig gibt es in Mehrfamilienhäusern Anforderungen, etwa an die Durchdringung von Bauteilen mit Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer. „Dann muss der Installateur für die Einhaltung aller brandschutztechnischer Vorschriften auch in der Entwässerungstechnik die Funktion eines Planers übernehmen. Im Bestand ist er der Allrounder“, so der Sachverständige. „Und wenn er Fehler macht, muss er haften“. Daher seien auch für den Installateur entsprechende Fortbildungen und Literatur immens wichtig. Funktionsweise des Dallmer-Brandschutzelements: 1. Feuer erwärmt den im Brandfall aufschäumenden Baustoff (Dämmschichtbildner).
Bild: Dallmer

Funktionsweise des Dallmer-Brandschutzelements: 1. Feuer erwärmt den im Brandfall aufschäumenden Baustoff (Dämmschichtbildner).
Bild: Dallmer
  2. Die Deckendurchführung wird verschlossen.
Bild: Dallmer
2. Die Deckendurchführung wird verschlossen.
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Brandschutz für Bodenabläufe

Im vorbeugenden Brandschutz werden Kunststoffabläufe mit einem senkrechten Ablaufstutzen als Rohr- bzw. Deckendurchführungen angesehen, die abgeschottet werden müssen. Ansonsten kann sich im Brandfall das Feuer über die Entwässerungsleitungen ausbreiten. Um das zu verhindern, müssen alle Durchführungen dieser Art fach- und normgerecht gesichert werden. Ähnliches gilt auch für Flachdächer. Hier kann der Brand über die Dachabläufe auf das Dach überspringen.

Zur Abschottung von Deckendurchführungen bietet Hersteller Dallmer installationsfertige Brandschutzelemente an. Kernstück dieser Elemente ist eine Brandschutzeinlage bestehend aus einer intumeszierenden Masse (im Brandfall aufschäumender Baustoff), die bei einer Hitzeeinwirkung von ca. 150 °C aufzuschäumen beginnt. Das Volumen des Materials vergrößert sich dabei um das 15- bis 20-Fache. Dadurch wird die Deckendurchführung schnell, zuverlässig und sicher verschlossen. Weder Wärme noch Flammen oder Rauch können sich über diese Durchführung weiter ausbreiten.

Feuerwiderstandsklassen DIN 4102-2 und DIN EN 13501-2

Die Brandschutzelemente werden in unterschiedliche Feuerwiderstandsklassen eingeteilt. Diese Klassifizierung wird sowohl von der deutschen Norm DIN 4102-2 als auch von der europäischen Norm DIN EN 13501-2 geregelt. In beiden Fällen entscheidet die Dauer, wie lange ein Bauteil dem Feuer widerstehen kann, über seine Einstufung.

Planer und Architekten müssen darauf achten, Brandschutzelemente auszuwählen, deren Feuerwiderstandsklasse zu der Decke passt, in der das Element eingesetzt wird. Ist die Feuerwiderstandsklasse des Brandschutzelements niedriger, mindert das die Effektivität der Decke. Anders ausgedrückt: Eine widerstandsfähige Decke nützt nichts, wenn sich das Feuer über die Rohre ausbreiten kann.

Die in der Übersichtstabelle (Tabelle 1) geforderten Feuerwiderstandsdauern für Bodenabläufe sind bei der Planung und Ausführung zu berücksichtigen. Der Nachweis der jeweiligen Feuerwiderstandsdauer muss über einen An- / Verwendbarkeitsnachweis, z. B. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP), eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) geführt werden. Europäische Klassifizierungen gelten auch für Bodenabläufe, die nach europäischen Normen geregelt und in der Muster Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen(MVV TB) dokumentiert sind.

Fazit: Prävention statt Katastrophe

Der geschilderte Hotelbrand zeigt eindrucksvoll, welche gravierenden Folgen mangelnde Brandschutzmaßnahmen im Bereich der Entwässerung haben können. Nur wenn der Brandschutz in diesem Bereich von Anfang an mitgedacht wird, kann die Sicherheit von Gebäuden und deren Nutzern gewährleistet werden. So kann man verhindern, dass aus einem kleinen Feuer eine unkontrollierbare Katastrophe wird. Ein sorgfältig geplanter und umgesetzter Brandschutz rettet Leben – das sollte stets im Fokus stehen.

Weitere Normen und Richtlinien 

Die Planung und Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen im Entwässerungsbereich erfolgen unter Berücksichtigung einschlägiger Normen und Vorschriften. Zu den wichtigsten gehören neben der MLAR:
MBO: Die Musterbauordnung (MBO) wird herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen
Minister und Senatoren der 16 Länder (ARGEBAU).
DIN EN 12056: Diese Norm bezieht sich auf die Schwerkraftentwässerung innerhalb von Gebäuden und gibt u. a. vor, wie die Entwässerungsanlagen geplant und errichtet werden müssen. In Bauwerken, wo Rohrleitungen durch Wände und Decken mit besonderen Anforderungen bezüglich des Feuerwiderstandes geführt werden, müssen besondere Vorkehrungen in Übereinstimmung mit den nationalen und internationalen Vorschriften
getroffen werden.
DIN 4102: Die DIN 4102 betrifft das Brandverhalten von Bauteilen und Baustoffen. Diese Norm definiert die Feuerwiderstandsklassen, welche Baustoffe im Bereich der Haustechnik verwendet werden dürfen und wie die Bauteile sowie Baustoffe geprüft werden.

DIN EN 13501: DIN EN 13501 ist die europäische Norm zur Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten. Sie hat auf
europäischer Ebene eine ähnliche Funktion wie die DIN 4102 auf deutscher.

Literaturtipp

Gemeinsam mit Knut Czepuck, Frank Möller und Jörg Reintsema hat Manfred Lippe den Kommentar zur Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) herausgegeben. „Dort ist alles im Detail beschrieben, was notwendig ist, um die baurechtlichen Vorschriften einzuhalten“, so Manfred Lippe. Es gibt auch ein Kapitel zu Bodenabläufen. Ausführliche Praxisempfehlungen und Praxisbeispiele helfen, die Leitungsanlagen-Richtlinien bei bundesweiten Baustellen in die Praxis umzusetzen.

Die ISBN lautet 978-3-86235-327-9.

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