„Standards für einen zuverlässigen Brandschutz schaffen“
Einsatz elektronischer Geräte in sensiblen GebäudebereichenRechtsanwalt Norbert Küster aus Bonn gilt als ausgewiesener und langjährig erfahrener Experte für das Brandschutz- und Bauproduktenrecht. Im Interview mit BS Brandschutz nimmt er eine Einschätzung zum Merkblatt VdS 6024 vor, erklärt Anforderungen und Fallstricke bei der Verwendung von Medientechnik in sensiblen Gebäudebereichen und kommentiert, was Herstellerangaben wie „angelehnt an“ in Bezug auf die Brandschutzeigenschaften eines Produktes tatsächlich aussagen.
Was sind die größten rechtlichen Herausforderungen bei der Bewerbung von Brandschutzeigenschaften elektronischer Geräte wie Bildschirme?
Die elektronischen Produkte sind stets in Verbindung mit ihrem Einsatzort und Anwendungszweck zu betrachten: Handelt es sich beispielsweise um einen Meetingraum oder sensible Bereiche in Gebäuden wie Flucht- und Rettungswege? Brandschutz im Gebäude ist ein hoch komplexes Thema, die Anforderungen aus Normen und dem Baurecht sind zu Recht sehr hoch –
und ebenso hoch sind die Ansprüche an eine klare und seriöse Kommunikation der Hersteller zu ihren Produkten und den Anwendungszwecken.
Rechtsanwalt Norbert Küster nimmt Stellung zur VdS 6024 für Medientechnik in sensiblen Gebäudebereichen.
Bild: Norbert Küster
Wie bewerten Sie beispielsweise bei Medientechnik für sensible Gebäudebereiche den Begriff „in Anlehnung an die Brandschutzklasse A1“ rechtlich? Wo sehen Sie hier potenzielle Fallstricke?
Der Begriff Brandschutzklasse A1 nimmt einen Begriff aus der Brandschutznorm DIN13501 Teil 1 auf. Wenn ich nun mit Bezug auf diesen Bildschirm allein von „Angelehnt an A1“ spreche, sagt das in Bezug auf die Technik genau genommen gar nichts aus. „Angelehnt“ verstehe ich so wie „Ich habe mich bemüht, kann aber nicht alle Vorgaben einhalten“. Welche Vorgaben mein Produkt erfüllt und welche nicht, bleibt unklar.
Insofern ist eine Aussage „In Anlehnung an“ zur Einordnung der Eigenschaften eines Produktes im Brandfall in jedem Fall zu wenig. Stattdessen wäre hier genau anzugeben, inwiefern welche Vorgaben eingehalten werden und welche nicht.
Zwingende Voraussetzung im Rahmen der Brandschutznorm DIN 13501 Teil 1 sind darüber hinaus das Vorliegen eines externen Prüfberichtes sowie die Angabe der externen Prüfstelle, welche die Tests vorgenommen hat. Ohne diese Vollständigkeit der Angaben in der Produktwerbung können Herstellern wettbewerbsrechtliche Konsequenzen drohen in Form von Abmahnungen und Unterlassungsklagen.
Welche Rolle spielt die Unterscheidung zwischen Bauprodukten und elektronischen Geräten bei der Zertifizierung von Brandschutzeigenschaften?
Bauprodukte dienen zur Errichtung des Gebäudes oder es handelt sich um Anlagen und Dinge, die zum Betrieb des Gebäudes zwingend notwendig sind, beispielsweise eine vorgeschriebene Brandmeldeanlage. Gibt es für ein Produkt keine harmonisierte Bau-produktnorm, wäre eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung („abZ“) erforderlich, die beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) beantragt werden müsste. Elektronische Anzeigentafeln und andere elektronische Geräte sind aber per se keine Bauprodukte. Somit ist der beschriebene Prüf- und Zulassungsweg für sie gar nicht gangbar. Das DIBt wäre in diesem Fall auch nicht zuständig und eine Zulassung nicht möglich.
Deshalb ist das Merkblatt VdS 6024, aus dem in Kürze eine VdS Richtlinie werden soll, auch so sehr zu begrüßen. Die VdS 6024 zielt darauf ab, eine Regelungslücke zu schließen und so-mit Herstellern, Planern und Verwendern ein gewisses Maß an Sicherheit in Form einheitlicher Standards an die Hand zu geben.
Was bedeutet dies für die konkrete Einschätzung eines Brandrisikos?
Für die Beurteilung des Brandrisikos und die Nachweisführung für die Wirksamkeit brandschutztechnischer Maßnahmen an elektronischen Bildschirmen und Anzeigetafeln stellen die im Merkblatt VdS 6024 zusammengestellten Regeln einen dringend erforderlichen Vorstoß dar, um das Brandrisiko elektrischer Geräte für die Installation in sensiblen Gebäudebereichen einheitlich zu bewerten und zur Verbesserung des Brandschutzes zu ertüchtigen. Insbesondere, da die VdS 6024 beide relevanten Brandszenarien (Beflammung von außen und Brandentstehung im Inneren des Gerätes) berücksichtigt.
Jedoch ist eine Prüfung und Zertifizierung für das Brandszenario „Beflammung von außen“ bei elektrischen bzw. elektronischen Geräten als Ganzes nach Prüfverfahren für Bauprodukte gemäß DIN EN 13501 und DIN EN 13823 ausgeschlossen, da mindestens die elektronischen Bauteile dieser Geräte derartige Brandbemessungsprüfungen niemals überstehen können. In diesem Zusammenhang können nur bestimmte Teile der elektrischen Geräte von den Materialprüfanstalten einer Prüfung zur Klassifizierung des Brandverhaltens nach
DIN EN 13501-1: SBI-Prüfung nach DIN EN 13823 unterzogen werden, also etwa die Teile der Außenhaut (Glas, Rahmen, Rückabdeckung), sodass dann darauf bezogen und insofern „in Anlehnung“ an diese Normen eine Klassifizierung durchgeführt werden kann. Zusammenfassend: Eine Zertifizierung der Geräte als Ganzes nach
EN 13501 ist nicht möglich, jedoch eine Klassifizierung einzelner Teile und daher im Ergebnis „in Anlehnung“ an diese Norm. In Werbung und Produktbeschreibungen für diese Geräte muss dies dann genau dargestellt werden.
Welche rechtlichen und marktrelevanten Risiken bestehen grundsätzlich, wenn Unternehmen Eigenerklärungen anstelle von Zertifikaten nutzen?
Beim Brandschutz haben wir es mit Themen zu tun, bei denen es um Leben und Tod geht. Da werden Eigenerklärungen von Produktherstellern oder Anlagenerrichtern von den Baubeteiligten selbst, aber auch von Bauherren und Bauaufsichtsämtern in Deutschland seit jeher nicht als ausreichend angesehen. Insofern leistet das VdS Merkblatt beziehungsweise die zukünftige VdS Richtlinie einen wichtigen Beitrag, um in einem gewissen Maß dem Wildwuchs entgegenzuwirken. Allerdings ist nach meiner Beobachtung längst noch nicht bei jedem Planer und auch nicht bei jeder Baubehörde die Erkenntnis angekommen, dass es die VdS 6024 gibt – hier bedarf es weiter umfassender Information und Aufklärung.
Sie haben angemerkt, dass manche Anbieter möglicherweise keine unabhängige Prüfung durchgeführt haben. Welche Konsequenzen könnte dies rechtlich oder für den Wettbewerb nach sich ziehen?
Was die Behauptung eines „Zertifikates“ angeht, verhält es sich rechtlich so, dass zwar jedermann mit einem Zertifikat werben kann, aber nur, wenn er die zugrunde liegende Prüfung, deren Ergebnis mit dem Zertifikat dargestellt beziehungsweise bestätigt wird, nicht selbst gemacht hat – sondern die Prüfung ein unabhängiger Dritter durchgeführt und dann auch das Zertifikat erstellt hat.
In der EU ist Standard, dass die Hersteller von Produkten die Normkonformität und dergleichen ihrer Produkte selbst prüfen und dazu eine „Konformitätserklärung“ bzw. Eigenerklärung abgeben. Nur weiß jedermann im Brandschutz natürlich, dass die bloße Eigenerklärung einer Konformität zu einem Regelwerk, sei es eine DIN-Norm, eine EN oder eine VdS Richtlinie, im Grunde nicht viel wert ist.
Unter anderem aus diesem Grund gibt es im Brandschutz für die Konformität mit DIN oder EN anerkannte und akzeptierte Prüfeinrichtungen, die aufgrund ihrer Prüfergebnisse im Erfolgsfall Zertifikate ausstellen. Auf einem derart unabhängigen Prüfbericht mit Nennung der unabhängigen Prüfstelle würde ich als Errichter, Anwender oder Bauaufsichtsbehörde in jedem Fall bestehen.
Abschließend: Wenn Sie einen Appell an Hersteller, Planer und Prüfstellen richten könnten, was würden Sie ihnen im Hinblick auf die VdS 6024 mit auf den Weg geben?
Ich kann nur dazu raten, sich intensiv mit der VdS 6024 und den darin getroffenen Vorgaben zu beschäftigen und sie als wichtigen Schritt zu einheitlichen Standards zu nutzen. Dass nun aus dem Merkblatt eine VdS Richtlinie werden soll, ist für mich der nächste logische Schritt. Vor diesem Hintergrund bin ich sicher, dass der Markt von selbst in einem Zeitraum von vier bis fünf Jahren darüber nachdenken wird, die Standards der VdS Richtlinie in eine nochmals verbindlichere offizielle Norm bei DIN oder DKE überzuleiten.
Dann wird man eine gemeinsame Grundlage haben, um einheitliche Anforderungen beim Einsatz elektronischer Geräte in sensiblen Gebäudebereichen zu erfüllen und gleichzeitig dem Wildwuchs an derzeit noch divergierenden Einzelanforderungen in Ausschreibungen etc. entgegenzuwirken.