Ist Brandschutz nur Chefsache?
Pflichten, Risiken, Haftung: Brandschutz im Bestand organisierenGleich vorweg: Brandschutz ist Chefsache. Allerdings ist Brandschutz nicht Chefs Lieblingsthema. Der Grund leuchtet ein: „Geschäftsführer und Betriebsleiter haben in der Regel wenig Kapazitäten neben ihrem eigentlichen Business. Außerdem bringt Brandschutz keinen Umsatz“, erklärt Bernd Steinhofer, Gründer und Geschäftsführer des Regensburger Beratungsunternehmens Steinhofer. Gleichzeitig sind Brände aber ein reales Risiko. Und tritt der Ernstfall tatsächlich ein, geht es schnell um rechtliche Konsequenzen und die Frage nach der Haftung. In diesem Beitrag geht es deswegen um Auswege aus diesem Dilemma: Wie kann Brandschutz so organisiert werden, dass er sich effizient in den Arbeitsalltag integriert und auf mehrere Schultern verteilt wird und gleichzeitig das persönliche Haftungsrisiko der Geschäftsführung reduziert?
Unerlässlich: Die Begehung vor Ort.
Bild: Steinhofer
Die rechtliche Verantwortung für den Brandschutz liegt bei der Unternehmensleitung. Paragraf 43 GmbHG verpflichtet Geschäftsführer zur „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ und regelt auch die Haftung bei Pflichtverletzungen. Positiv formuliert muss sich in Sachen Brandschutz also um folgende Themen gekümmert werden: die Einhaltung von Bau- und Betriebsgenehmigungen, die vollständige Dokumentation, regelmäßige Prüfungen brandschutztechnischer Einrichtungen sowie klar geregelte Zuständigkeiten.
Während bei Neubauten der Brandschutz meist von Anfang an mitgedacht, geplant und professionell ausgeführt wird, stellt der Bestand eine größere Herausforderung dar. Viele Gebäude haben sich im Laufe der Jahre verändert – funktional wie strukturell. Häufig hat sich aber der Brandschutz nicht mitentwickelt oder ist nicht mehr ausreichend dokumentiert.
Ein klassisches Beispiel sind Schulgebäude. Sie stammen oft aus einer Zeit, in der andere Regeln für Bau und Brandschutz galten. Auch das pädagogische Konzept war ein anderes. „Früher wurde ausschließlich im Klassenzimmer gelernt, die Flure dienten lediglich als Verkehrswege. Heute sind Flure dagegen Aufenthalts-, Spiel- und Lernbereiche – das ist brandschutztechnisch eine ganz andere Ausgangslage“, sagt Veronika Lemberger, Projektleiterin bei Steinhofer. Und die Problematik betrifft nicht nur Schulen.
Der Vier-Schritte-Ansatz zur Organisation des Brandschutzes im Bestand.
Bild: Steinhofer
Um den Brandschutz im Bestand systematisch und rechtssicher zu organisieren, hat sich ein strukturierter Vier-Schritte-Ansatz bewährt.
Dokumentation und Dokumenten-Check
Zunächst ist eine vollständige Zusammenstellung aller relevanten Unterlagen erforderlich – darunter Brandschutzkonzept, Bau- und Betriebsgenehmigungen, Prüfberichte, Schulungsnachweise, Zuständigkeiten sowie interne Regelungen.
Im nächsten Schritt wird geprüft, ob Unterlagen fehlen oder veraltet sind. Der sogenannte Dokumenten-Check kann durch externe Fachleute unterstützt werden, die auf Vollständigkeit achten und Hinweise auf potenzielle Lücken geben.
360°-Analyse
Die 360°-Analyse ist der Realitätscheck. Als Abgleich von dokumentiertem Soll-Zustand und tatsächlichem Ist-Zustand bildet sie den Kern einer fundierten Bestandsaufnahme. Ihr Ergebnis ist ein Bericht, der die aktuellen Mängel aufzeigt und deren Abarbeitung in einer realistischen Priorisierung erfolgen sollte.
Genau diesen Weg ist beispielsweise ein niederbayerischer Autozulieferer gegangen, den Steinhofer als Kunden betreut. Nach einem Betreiberwechsel ließ sich das neue Management beraten. Die bestehende Brandschutzdokumentation wurde geprüft, ergänzt und bei einer Begehung mit der Realität vor Ort abgeglichen. „Auf diese Weise entstand ein belastbarer Überblick über alle brandschutzrelevanten Themen – und die Grundlage dafür, konkrete Maßnahmen zu definieren und umzusetzen“, so Projektleiterin Nicole Steinhofer.
Der strukturierte PDCA-Zyklus ist auf eine kontinuierliche Verbesserung und Optimierung
ausgelegt.
Bild: Steinhofer
Zuständigkeiten klar regeln
Ein einmaliges Prüfen und Anpassen reichen allerdings nicht aus. Der Brandschutz muss im Alltag mitgedacht werden. Zwar bleibt die Geschäftsführung stets in der Gesamtverantwortung, operative Aufgaben können jedoch delegiert werden.
Idealerweise übernimmt ein interner Brandschutzbeauftragter diese Funktion. Ist dessen Zeit oder Expertise begrenzt, kann externe Unterstützung sinnvoll sein.
So verfährt beispielsweise ein Betreiber mehrerer Alten- und Pflegeheime, der aktuell seine Bestandsimmobilien auf den brandschutztechnischen Prüfstand stellt. Hier ist Christian Greiner von Steinhofer als externer Brandschutzbeauftragter mit von der Partie. Er berät die Heime an ihren Standorten, macht Begehungen, organisiert Unterweisungen für interne Kräfte, verfolgt Prüfintervalle, weist auf Mängel hin und nimmt an Sitzungen teil.
Ähnlich wie Schulen sind auch Pflegeheime im Umbruch: „Alles wird immer wohnlicher gestaltet. Wenn man zum Beispiel im Flur eine Sitznische mit Sofa einrichtet, ist das keine Baumaßnahme. Brandschutztechnisch macht es aber einen Unterschied“, sagt er.
Brandschutzmanagementsystem als ideale Ausbaustufe
Sind Dokumentation, Analyse und Zuständigkeiten etabliert, bildet ein Brandschutzmanagementsystem (BMS) den nächsten logischen Schritt. „Das System vereint alle relevanten Informationen und Prozesse und bringt sie an einem Ort zusammen – wie man das von einem zertifizierten Qualitätsmanagement beispielsweise nach ISO 9001 kennt“, erklärt Bernd Steinhofer. Das Ergebnis ist ein strukturierter PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act), der auf kontinuierliche Verbesserung und Optimierung ausgelegt ist.
Dokumentationen müssen stets auf dem neuesten Stand sein.
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Wie hier an der Mittelschule in Furth im Wald muss der Brandschutz mitgedacht und mitentwickelt werden.
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Ein Pilotprojekt dazu hat Steinhofer gemeinsam mit einem Betreiber von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gestartet.
Strukturierter Brandschutz reduziert Haftungsrisiken
Mit diesen vier Schritten wird Brandschutz zum dynamischen Begleiter, der sich gemeinsam mit dem Unternehmen entwickelt und flexibel an neue Anforderungen anpasst, und zwar rechtzeitig und im Einklang mit normativen Vorgaben.
Für Geschäftsführer und Betriebsleiter bietet dieses Vorgehen einen entscheidenden Vorteil: Wer strukturiert vorgeht und den Brandschutz im Rahmen eines integrierten Systems steuert, kann jederzeit den aktuellen Status prüfen und vor allem nachweisen, dass er seinen Pflichten nachgekommen ist. Das schafft nicht nur Transparenz und Handlungssicherheit, sondern reduziert auch das persönliche Haftungsrisiko.
In diesem Sinne ist und bleibt Brandschutz zwar Chefsache, aber keineswegs eine One-Man- oder One-Woman-Show.
