Gefahr nicht unterschätzen!
Neue Gefahrstoffverordnung: Was gilt für Asbest?Millionen Tonnen von krebserzeugendem Asbest sind noch immer in Bestandsgebäuden – und insbesondere auch im Brandschutzbereichen – verbaut. Um Beschäftigte besser zu schützen, sind im Dezember 2024 mit der novellierten Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) neue Regelungen für Tätigkeiten mit Asbest in Kraft getreten. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) informiert über die wichtigsten Änderungen und bietet für das Bauen im Bestand einen praxisnahen Leitfaden an.
Obwohl Asbest in Deutschland seit 1993 verboten ist, ist der Gefahrstoff in vielen Bestandsgebäuden nach wie vor verbaut und kann bei Umbau- oder Sanierungsarbeiten freigesetzt werden. „Seit 2015 wissen wir, dass Asbest auch in bis dahin als unverdächtig geltenden Baustoffen, wie Putz, Fensterkitt, Fliesenkleber oder Estrich, enthalten sein kann“, sagt Norbert Kluger, Leiter der Abteilung Stoffliche Gefährdungen der BG BAU. „Schätzungen zufolge wurden in mehr als 9,4 Mio. Gebäuden in Deutschland asbesthaltige Materialien verbaut“.
Um Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Gefahrstoffverordnung zu unterstützen, hat die BG BAU das erforderliche Vorgehen in einem Leitfaden „Asbest beim Bauen im Bestand“ zusammengefasst.
Bild: Clipdealer
Aufgrund seiner hervorragenden Hitzebeständigkeit, nicht brennbaren Eigenschaften und guten Isolationswirkung wurde Asbest häufig auch im Brandschutzbereich verwendet, beispielsweise als Brandschutzplatten oder -verkleidungen in Gebäuden, Rohrisolierungen und Lüftungskanäle oder auch Feuerschutztüren und -klappen.
Werden Asbestfasern zum Beispiel bei Sanierungsarbeiten freigesetzt und eingeatmet, können sich diese in der Lunge festsetzen und Krankheiten, wie Asbestose oder Krebs, verursachen. 2024 gab es im Verantwortungsbereich der BG BAU nach vorläufigen Zahlen 2.332 Meldungen auf Verdacht einer asbestbedingten Berufskrankheit. 270 Menschen starben an den Folgen. Frühere Prognosen waren angesichts der Latenzzeiten davon ausgegangen, dass die Erkrankungszahlen 20 bis 30 Jahre nach dem Asbestverbot zurückgehen müssten. Diese Annahme ist nicht eingetreten, was auf das nach wie vor hohe Asbestvorkommen in Gebäuden und Produkten hinweisen kann.
Risikobewertung nach Ampel-Modell
Mit der novellierten GefStoffV wurde im Dezember 2024 ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept für krebserzeugende Stoffe, wie Asbest, eingeführt. Das Konzept definiert die drei Risikobereiche hohes, mittleres und niedriges Risiko und wird aufgrund der Farbgebung (rot, gelb, grün) auch „Ampel-Modell“ genannt. Für die drei Risikobereiche gelten jeweils abgestufte, risikobezogene Schutzmaßnahmen.
Aufgrund seiner hervorragenden Hitzebeständigkeit, nicht brennbaren Eigenschaften und guten Isolationswirkung wurde Asbest häufig auch im Brandschutzbereich verwendet.
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„Durch die neue Gefahrstoffverordnung können Handwerksunternehmen nun bestimmte Arbeiten ausführen, die bisher de facto verboten waren. Die zulässigen Tätigkeiten wurden um die so genannte funktionale Instandhaltung erweitert, also Tätigkeiten, die der laufenden Nutzung eines Gebäudes dienen oder für eine Anpassung an den Stand der Bautechnik erforderlich sind. Hier schafft die Novelle neue Möglichkeiten, denn nun dürfen beispielsweise Schlitze in asbesthaltigen Putz gefräst werden, immer unter der Voraussetzung, dass sichere Arbeitsverfahren zum Einsatz kommen“, erläutert Andrea Bonner, Referentin in der Abteilung Stoffliche Gefährdungen der BG BAU. Tätigkeiten mit hohen Risiken dürfen nach wie vor nur von Fachfirmen mit entsprechender Zulassung durchgeführt werden.
Asbest in Bestandsbauten: So müssen Unternehmen vorgehen
Um Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Gefahrstoffverordnung zu unterstützen, hat die BG BAU das erforderliche Vorgehen in einem Leitfaden „Asbest beim Bauen im Bestand“ zusammengefasst.
Die wesentlichen Vorgaben in Kürze:
Der Bauherr ist verpflichtet, dem ausführenden Unternehmen alle ihm vorliegenden Informationen über vorhandene oder zu vermutende Gefahrstoffe zur Verfügung zu stellen, insbesondere muss er über das Baujahr beziehungsweise den Baubeginn informieren.
Die Informationen des Bauherrn über Baujahr beziehungsweise Baubeginn sind Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung durch das ausführende Unternehmen. Bei Tätigkeiten in Gebäuden mit Baubeginn vor Oktober 1993 muss vermutet werden, dass asbesthaltige Materialien vorhanden sein können.
Die Asbestvermutung kann durch eine historische oder technische Erkundung widerlegt werden. Für die historische Erkundung werden Unterlagen zum Gebäude herangezogen. Die technische Erkundung umfasst die Beprobung und Analyse der Baumaterialien auf mögliche Schadstoffbelastungen. Die entstehenden Kosten gelten als besondere Leistung.
Kann die Asbestvermutung nicht widerlegt werden, sind bei den Tätigkeiten asbestspezifische Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dabei ist zunächst festzustellen, welchem Risikobereich die Tätigkeiten zuzuordnen sind. Hilfestellung liefert die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 519 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ sowie eine Überleitungshilfe zur Anwendung der TRGS 519 bis zur Anpassung der TRGS an das Risikokonzept der Gefahrstoffverordnung.
Die Arbeitsverfahren müssen so gestaltet werden, dass eine Freisetzung von Asbestfasern verhindert oder zumindest minimiert wird. Daher sollten die Tätigkeiten nach Möglichkeit mit emissionsarmen Arbeitsverfahren nach DGUV Information 201-012 „Emissionsarme Verfahren nach TRGS 519 für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien“ erfolgen.
Steht für die Durchführung kein emissionsarmes Verfahren zur Verfügung, müssen allgemeine Maßnahmen zur Staubminimierung umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem der Einsatz von absaugenden Maschinen, Bauentstaubern und Luftreinigern sowie Abschottungsmaßnahmen und das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung.
Für Tätigkeiten mit Asbest sind besondere Qualifikationen erforderlich. So müssen die Arbeiten etwa von einer sachkundigen Person beaufsichtigt werden. Die Sachkunde wird durch die erfolgreiche Teilnahme an einem behördlich anerkannten Lehrgang erworben. Ausführen dürfen Tätigkeiten mit Asbest nur fachkundige Beschäftigte, die über „Grundkenntnisse Asbest“ verfügen.
Vor erstmaliger Aufnahme der Tätigkeiten muss eine Unterweisung der Beschäftigten anhand der schriftlichen Betriebsanweisung durchgeführt werden.
Tätigkeiten mit Asbest müssen bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde angezeigt werden. Zudem muss eine Kopie der Anzeige an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermittelt werden.
Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Tätigkeiten mit Asbest für alle betroffenen Beschäftigten eine arbeitsmedizinische Vorsorge (Pflichtvorsorge) zu veranlassen.
Beschäftigte, die mit asbeststaubgefährdenden Tätigkeiten betraut sind, müssen bei der Gesundheitsvorsorge (GVS) gemeldet werden. Zudem müssen die Daten der Beschäftigten sowie die Höhe und Dauer der Tätigkeiten im Expositionsverzeichnis des Arbeitgebers erfasst werden.