Vorsicht Falle bei Mietverträgen!

Fehler bei der Anmietung von gewerblichen Nutzflächen vermeiden

Bei der Anmietung von gewerblichen Nutzflächen machen gerade Existenzgründer oft Fehler. Welche relevanten Aspekte und geltenden gesetzlichen Vorschriften bereits vor Vertragsabschluss zu prüfen bzw. zu beachten sind, wird im Folgenden aufgezeigt und detailliert erläutert.

Viele Mieter wissen nicht, dass die Verantwortung zur Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorgaben nicht zwingend der Eigentümer, sondern in der Regel der Mieter trägt, da gewerbliche Verträge frei gestaltet werden können. Die gewerblichen Mietverträge z. B. von Haus & Grund sehen jedenfalls standardmäßig den Übergang der Verantwortung auf den Mieter vor.

Nutzungszweck und Bestandschutz

Nicht immer werden Räumlichkeiten auch zum eigentlichen Nutzungszweck vermietet. Vermieter nutzen gern pauschale Beschreibungen der Nutzungen wie „Büro“, „Gewerberaum“, „Lagerraum“ oder „Praxis“. Erhält der Mieter dann keine Baugenehmigung oder keine Genehmigung der Nutzungsänderung, muss er weiterhin den Mietvertrag erfüllen, also Miete zahlen, ohne das Objekt jedoch im eigentlichen Sinne jemals nutzen zu können. Der Vermieter ist hierbei rechtlich fein raus.

Im Sinne eines falsch verstandenen Bestandschutzes (oft vom Vermieter ins Feld geführt) und einer möglicherweise vorliegenden Baugenehmigung ist vielen Freiberuflern und Gewerbe­treibenden nicht bewusst, dass sie selbst dann eine Nutzungsänderung beantragen müssen, wenn sie keine baulichen Änderungen durchführen. Genehmigungsfrei in Nordrhein-Westfalen sind grundsätzlich nur die in §§ 62 und 63 BauO NRW 2018 genannten Bauvorhaben. Eine Nutzungsänderung ist immer dann erforderlich, wenn eine Änderung der Nutzungsart erfolgt, so z. B. von Wohnen zu gewerblicher Nutzung. Ein neuer Bauantrag kann notwendig werden, wenn sich bei gleicher Nutzung, z. B. als Arztpraxis, Änderungen bei den Öffnungszeiten oder der Mitarbeiteranzahl (Betriebsbeschreibung) ergeben.

Bauordnungsrechtlich kann Bestandsschutz nur dann geltend gemacht werden, wenn das Objekt – gänzlich unverändert – wie bei seiner damaligen Genehmigung noch aufsteht, dies gilt aber einzig für bauordnungsrechtliche Vorschriften. Kurz, Sonderbauten (auch sog. kleine Sonderbauten), bauliche oder optische Veränderungen benötigen in der Regel immer eine bauordnungsrechtliche Genehmigung.

Grundsätzlich schwierig ist es auch immer im Nachhinein, also nach Mietvertragsabschluss, noch eine Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderung einzuholen. Denn der Vermieter ist immer auf die Mitarbeit und das Gutheißen des Vermieters angewiesen. Schon der Nachweis von notwendigen Stellplätzen, des Schallschutzes oder des Brandschutzes kann zu unüberwindbaren Hürden führen.

Aber nicht nur beim Bauordnungsrecht, d. h. bei der Einhaltung der Landesbauordnung, liegt die Verantwortung beim Mieter, sondern auch beim Einhalten der arbeitsschutzrechtlichen Regelwerke, der Gesetze zu Gleichstellung und Inklusion, der Hygienevorschriften, der eingeführten technischen Baubestimmungen, der geltenden Normen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerke.

Arbeitsschutz

Die arbeitsschutzrechtliche Genehmigung ist durch die zuständigen Aufsichtsbehörden meist im Rahmen der Beteiligung der entsprechenden Behörden im Baugenehmigungsverfahren zu erreichen. In vielen Fällen machen die Baugenehmigungsbehörden aber auch einfach nur entsprechende Auflagen in der Baugenehmigung – was wiederum nicht bedeutet, dass diese „arbeitsschutzrechtlichen Auflagen“ auch gem. der erteilten Baugenehmigung (z. B. im Bestand) umgesetzt wurden oder umsetzbar sind, da diese oft nicht einmal in den Bauvorlagen planerisch berücksichtigt wurden. Was im Übrigen auch nicht die Aufgabe eines Architekten im eigentlichen Sinne ist.

Die Baugenehmigungsbehörde prüft die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen in der Regel nicht, Sie kann aber Auflagen erteilen.

So kann es trotz bauordnungsrechtlicher Genehmigung erforderlich sein, größere Türen, weitere Toilettenanlagen, eine mechanische Lüftung oder gar einen Aufzug einzubauen, ohne dass dies explizit in der Baugenehmigung gefordert oder dargestellt (Bauvorlagen) ist. Hier sind ggf. Nachträge zur Baugenehmigung zu stellen.

Genehmigungen auf Ausnahmen z. B. von Arbeitsstättenregeln gem. § §a Abs. 3 ArbStättV sind kaum von der entsprechenden Aufsichtsbehörde zu erlangen. Zudem ist ganz klar festzuhalten, dass die Arbeitsschutzvorschriften ständig auf dem aktuellen Stand einzuhalten sind, die Rechtsprechung sind insoweit auch eindeutig.

Viele freiberuflich Tätige wie z. B. Ärzte ignorieren dies gern mit der Ausrede, dass man selbst ein Freiberufler sei und für diese ja nun einmal die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht gelten würden, da man kein Gewerbetreibender im eigentlichen Sinne sei. Tatsächlich gelten die Arbeitsschutzbestimmungen für jeden Betrieb, in dem es angestellte Mitarbeiter gibt, selbst im Unternehmen beschäftigte Praktikanten ohne Bezahlung reichen dazu aus, in den Geltungsbereich zu fallen.

Brandschutz

Der Brandschutz wird ebenfalls unter Beteiligung der Feuerwehr im Genehmigungsverfahren geprüft. Je nach Art und Nutzungsweise müssen Gebäude unterschiedliche Kriterien bezüglich Bauart, Baustoffklasse, Feuer­widerstand, Abständen, Lagerung, Flucht- und Rettungswegen u. v. m. erfüllen. Oft ist ein Brandschutzkonzept bei Sonderbauten erforderlich. Zu beachten ist auch, dass brandschutztechnisch bemessene Bauteile immer entsprechend der Herstellervorgaben und nur durch sachkundige, zertifizierte Personen ausgeführt und ggf. von Prüfsachverständigen abgenommen werden müssen. Für Bauteile im Bestand sind zusätzliche Nachweise zu erbringen, die oft mit weiteren Kosten verbunden sind. In NRW prüfen die Baugenehmigungsbehörden bei bestimmten Gebäudeklassen die Einhaltung des Brandschutzes nicht mehr selbst, sondern durch sogenannte staatlich anerkannte Sachverständige für die Prüfung des Brandschutzes. Hier sind weitere Kosten zu erwarten.

Viele Vermieter, gerade bei großen Verkaufsstätten (Einkaufszentren) verlangen heute bereits betriebliche Brandschutzkonzepte von Ihren einzelnen Mietern. In NRW ist es zudem Pflicht für jeden Betrieb in einem Gebäude einzelne Brandschutzkonzepte vorzulegen und nicht ein Gesamtkonzept für das Gebäude an sich. Viele kommunale Behörden beachten dies aber nicht.

Altlasten

Schließlich kommt es immer wieder vor, dass beim Umbau Altlasten, Bauschäden oder / und statische Probleme zum Vorschein kommen, für die weitere besondere, meist kostenintensive bauliche Maßnahmen notwendig werden.

Viele berücksichtigen auch nicht, dass es allein aus privatrechtlichen Vereinbarungen wie Versicherungsverträgen oder / und QM-Systemen erforderlich sein kann, vorgenannte Regelwerke und Vorschriften einzuhalten, ebenso wie das Objekt intrusionssicher zu machen, ohne jedoch die vorgenannten Schutzziele zu missachten.

Aber auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Kammern, Landes- und Bundesoberbehörden (z. B. Robert Koch-Institut, Kassenärztliche Vereinigungen, Anwaltskammern, …) können Regeln zu beachten sein oder Abnahmen / Prüfungen gefordert werden. Dies reicht von der Ausführungsqualität der Arbeitsplatten bis hin zur Größe der Werbetafel am Gebäude.

Wer sich bei Vorgenanntem leichtsinnig oder fahrlässig verhält, setzt sich zivil-, ordnungs- und strafrechtlichen Konsequenzen aus, ist im Schadensfall zivil- und strafrechtlich „persönlich“ haftbar zu machen und riskiert, dass eine Versicherung im Schadensfall die Haftung ablehnen wird.

Kostenverteilung

Daher ist es geboten, vor Vertragsschluss die (Verteilung der) Kosten bezüglich der erforderlichen Genehmigungsverfahren (die meist im fünfstelligen EUR-Bereich liegen), die Kosten für notwendige Umbauten sowie die Kosten für Betrieb und Prüfung von notwenigen prüfpflichtigen Anlagen (z. B. Lüftung) mit dem Vermieter abzuklären. Ebenso ist vorab oder im Mietvertrag festzuhalten, wer die Genehmigungen einholt sowie die uneingeschränkte Mitwirkung bzw. Zustimmung des Vermieters zum Genehmigungsverfahren und ggf. notwendigen Umbauten schriftlich zu fixieren. Der fachlich unkundige Mieter oder sein Rechtsbeistand können i. d. R. nicht prüfen, ob Gesetze und Vorschriften bei dem angebotenen Objekt eingehalten wurden. Wer eine Immobilie mietet oder nutzt, geht meist davon aus, dass der Vermieter alle erforderlichen Genehmigungen besitzt und das Gebäude alle technischen Anforderungen diesbezüglich erfüllt. Jedoch hat der Vermieter häufig nur ein rein monetäres Interesse an einer Vermietung und nicht daran, noch zusätzliche Kosten für Planungen, Genehmigungsverfahren oder Umbauten für ihn zu erzeugen. Anzumerken ist, dass es kaum Vermieter gibt, die das nicht wissen, aber viele, die ihre neuen Mieter nicht entsprechend darüber aufklären.

Fazit

Bei der Bauplanung von gewerblich zu nutzenden Objekten entstehen oft Fehler, wenn entsprechendes Fachwissen und Erfahrung und sowohl Zeit als auch Budget zu knapp bemessen sind. Dabei sollten Mieter von Gewerbeimmobilien niemals eine schnelle Fertigstellung des Baus, fehlende Sicherheitsaspekte und ein Vernachlässigen von Rechtmäßigkeiten vorziehen. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Es ist daher ratsam, sich schon vor Vertragsverhandlung und -unterzeichnung umfangreich beraten und unterstützen lassen. Es erspart eine Menge Arbeit, Nerven, Zeit und böse Überraschungen, wenn Sie bereits zur Objektsuche Experten zurate ziehen, die Ihre Wunschimmobilie hinsichtlich baurechtlicher und -technischer, brandschutztechnischer und arbeitsschutzrechtlicher Aspekte begutachten und Sie zu Gesprächen und Verhandlungen mit Vermietern begleiten.

So können Sie sicher sein, nicht nur im Hinblick auf Funktion, Gestaltung und Umsetzung, sondern auch bezüglich der geltenden gesetzlichen Vorschriften die richtige Wahl zu treffen.

Es lohnt sich daher immer langfristig, nachhaltig und sicherheitsbewusst zu planen, statt einfache und nur vordergründig günstige Lösungen zu wählen. Trotz aller gesetzlichen und zivilrechtlichen Auflagen war eine kostenoptimierte Realisierung von Projekten immer dann möglich, wenn Fachleute mit entsprechender Erfahrung schon frühzeitig in die Bauvorhaben eingebunden waren.

Beispielhafte, unvollständige Checkliste für kleine Gewerbeeinheiten (z. B. Büro- / Praxisnutzung):

– Liegt eine aktuelle bauordnungsrechtliche Genehmigung für den beabsichtigten Nutzungszweck vor?

– Sind aktuell alle arbeitsschutzrechtlichen Regelwerke eingehalten?

– Gibt es Hinweise auf Altlasten / Schadstoffe (z. B. Baujahr / Gerüche)?

– Können alle Prüfberichte / -bücher für die vorhandenen prüfpflichtigen Anlagen vorgelegt werden?

– Wurden vorhandene Notausgangs- und Brandschutztüren geprüft und sind diese funktionsfähig?

– Ist der genehmigte Verlauf von Flucht- und Rettungswegen bekannt und gibt es aktuelle Flucht- und Rettungspläne?

– Ist es möglich, für alle brandschutztechnisch bemessenen Bauteile den Nachweis der jeweiligen Feuerwiderstandsklasse

zu führen?

– Sind Fenster und Türen entsprechend den Vorgaben der Versicherung intrusionssicher?

– Liegen aktuelle Schall- und Wärmeschutznachweise vor?

– Kann das Objekt barrierefrei genutzt werden?

– Gibt es behindertengerechte Toilettenanlagen?

– Ist der zweite Rettungsweg vorhanden und führt dieser nicht über eine Wendeltreppe?

– Ist der Bereich vor Notausgangstüren frei und eben?

– Liegt eine aktuelle Berechnung der Nutzflächen vor?

– Werden Betriebskosten (bei gemischten Wohn- und Gewerbeobjekten) getrennt abgerechnet?

– Sind ggf. vorherige Werbeanlagen genehmigt worden?

– Sind die in der Baugenehmigung nachgewiesenen notwendigen und dem Gewerbe zugeordneten Stellplätze frei verfügbar?

– Erfüllt das Objekt/die ggf. vorhandene Einrichtung / Ausstattung ggf. notwendige hygienische Standards / Vorschriften?

– Ist eine Lüftung über Fensterflächen i. S. d. ASR A3.6 möglich?

– Liegt ein aktuelles (betriebliches) Brandschutzkonzept vor?

– Sind entsprechend der Berechnung der Löschmitteleinheiten gem. ASR A2.2 für das Objekt notwendige Feuerlöscher vorhanden,

geprüft und funktionsfähig?

– Schlagen alle Notausgangs- und Fluchttüren in Fluchtrichtung auf?

– Sind ggf. Einleitungsanträge, Abscheideeinrichtungen (Abwasseranlage) erforderlich?

– Gibt es eine Sauberlaufzone gem. ASR A1.5?

– Können alle Räume verschlossen werden?

– Gibt es Nutzungseinschränkungen für einzelne Räume (z. B. durch sie verlaufende Rettungs- oder Verkehrswege)?

– Haben alle Räume ausreichendes Tageslicht?

– Haben Aufenthaltsräume eine Sichtverbindung nach außen?

– Sind Raumkenngrößen (Fläche, Höhen und Volumen) ausreichend für die beabsichtigte Nutzung oder / und Personenzahl?

– Liegen bei Räumen mit besonderer Gefahr (z. B. Röntgenräume) aktuelle Feuerwehrpläne vor?

– Bei Angestellten: Gibt es Aufenthalts- / Pausenräume?

– Gibt es Erste-Hilfe-Räume?

– Im Freien liegende Verkehrswege, Treppen, Gebäudeein- und -ausgänge müssen auch unter Berücksichtigung der Witterungs-

bedingungen sicher benutzbar sein. Ist eine Überdachung vor dem Eingangsbereich vorhanden?

– Sind die vorhandenen Bodenbeläge rutschsicher (mind. Bewertungsgruppe R9, im Außenbereich R10 V4 oder R11)?

Sind Nachweise dazu vorhanden?

– Ist der Fahrzeug- und Fußgängerverkehr auf Verkehrswegen voneinander getrennt geführt?

– Führen Wege für den Fahrverkehr in einem Abstand von ≥ 1,00 m an Türen und Toren, Durchgängen, Durchfahrten und

Treppenaustritten vorbei?

– Sind Verkehrswege entsprechend der ASR A1.8 ausgeführt (z. B. Lichte Höhen, Türbreiten)?

– Gibt es einzelne Stufen im Objekt?

– Sind Umwehrungen an allen relevanten Gefahrenstellen vorhanden (ASR A2.1)?

– Sind Geländer kindersicher (z. B. wenn mit dem Aufenthalt von Kindern zu rechnen ist)?

– Haben Treppen mit mehr als vier Stufen einen Handlauf?

– Entsprechen alle Treppen den Regeln (z. B. Schrittlänge) aus ASR A1.8?

– Bestehen durchsichtige, lichtdurchlässige oder / und Ganzglaswände im Bereich aus bruchsicherem Werkstoff und sind diese

deutlich gekennzeichnet?

– Wurden Lichtkuppeln mit einer Umwehrung versehen?

– Ist die notwendige Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung (z. B. Fluchtwegbeschilderung) vorhanden?

– Ist die Türschwelle eine sog. Nullschwelle? usw.

Die stefanbuddesiegel Unternehmensgruppe prüft geplante Nutzungsweisen vormietvertraglich für ihre Kunden

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