Brandschutz im Wandel
Digitalisierung und Vernetzung eröffnen neue PerspektivenDie Digitalisierung verändert den Brandschutz grundlegend: Digitale Plattformen, Fernzugriffe und smarte Systeme ermöglichen effizientere Abläufe, eine höhere Anlagenverfügbarkeit und eine besser planbare Wartung. Predictive-Maintenance-Konzepte erkennen Störungen, bevor sie auftreten und steigern so die Betriebssicherheit und Servicequalität. Normen wie DIN EN 50710 und die Leitlinie VDE 0826-10 schaffen den regulatorischen Rahmen für diesen Wandel. Im Smart Building der Zukunft wachsen Sicherheit, Energieeffizienz und Gebäudemanagement zusammen – eine Chance für Errichter, Betreiber, Planer und Hersteller gleichermaßen.
Die Digitalisierung verändert nahezu alle Gesellschafts- und Geschäftsbereiche von Grund auf. Auch in der Sicherheits- und Brandschutztechnik eröffnen sich neue Chancen durch digitale Plattformen und die Möglichkeit des Fernzugriffs. Prozesse werden einfacher und effizienter, Serviceleistungen lassen sich passgenauer bereitstellen und die Betriebssicherheit steigt. Dieser Beitrag zeigt, wie die Branche diesen Wandel aktiv gestalten kann und welche Vorteile sich für Errichter, Betreiber und Planer ergeben.
Digitale Transformation erreicht den Brandschutz
Die digitale Transformation ist unumkehrbar. Im Handel und in der Industrie gehören datenbasierte, vielfach automatisierte sowie KI-unterstützte Prozesse bereits zum Standard. Auch der vorbeugende Brandschutz profitiert zunehmend von dieser Entwicklung. Moderne Brandmelde- und Sicherheitssysteme liefern heute weit mehr Informationen als die reine Alarmierung. Darüber hinaus ermöglichen sie eine kontinuierliche Überwachung, erleichtern die Wartung und tragen somit zur Optimierung der Betriebsabläufe bei.
Digitale Plattformen bündeln Informationen und erleichtern die Zusammenarbeit.
Bild: Hekatron
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben verdeutlicht, wie wichtig digitale Werkzeuge für einen krisenfesten Betrieb sind. Unternehmen, die auf digitale Services setzen, reagieren flexibler, arbeiten effizienter und können ihre Anlagen zuverlässiger betreiben. Damit verändert sich nicht nur die Technik selbst; auch die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Errichtern, Planern und Betreibern rückt stärker in den Fokus.
Drei zentrale Herausforderungen der Branche
1. Fachkräftemangel: Der Mangel an qualifiziertem Personal entwickelt sich immer stärker zum Nadelöhr bei der Umsetzung neuer Projekte. Errichter können Aufträge häufig nicht annehmen, weil die Kapazitäten fehlen.
Digitale Lösungen wie ein sicherer Fernzugriff können vor diesem Hintergrund Entlastung schaffen und die personellen Ressourcen besser einsetzen: Für viele Routineaufgaben wie Software-Updates, die Auswertung von Systemmeldungen oder kleinere Parametrierungen ist kein Vor-Ort-Einsatz mehr erforderlich. Anwender berichten, dass sich bis zu 85 % der Anfragen aus der Ferne lösen lassen. Das spart wertvolle Zeit und ermöglicht es Fachkräften, sich auf komplexere Projekte zu konzentrieren.
2. Steigende Kundenanforderungen: Betreiber erwarten heute schnelle Reaktionszeiten, planbare Kosten und höchste Anlagenverfügbarkeit. Hinzu kommt der Wunsch nach einer vorausschauenden Wartung. Intelligente Systeme analysieren Betriebsdaten fortlaufend und melden Abweichungen, bevor Störungen auftreten. So lässt sich gezielt eingreifen, statt erst im Störfall zu handeln. Dieser proaktive Service entwickelt sich zunehmend zu einem Wettbewerbsvorteil.
3. Minimierung von Betriebsunterbrechungen: Ob Krankenhaus, Schule oder Industriehalle – störungsfreie Abläufe sind entscheidend. Durch Fernzugriffe und digital vernetzte Systeme können Wartungen und Instandhaltungen parallel zum Betrieb erfolgen, ohne Prozesse nennenswert zu stören. Gerade in sensiblen Umgebungen wie Intensivstationen oder Pflegeheimen ist dies ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit und Zufriedenheit der Betreiber.
Effizienzgewinne durch intelligente Vernetzung
Die Vorteile digitaler Vernetzung gehen weit über die Störungsbeseitigung hinaus. Planung, Projektierung und Parametrierung basieren künftig auf einem einheitlichen Datenmodell.
Errichter und Betreiber greifen auf dieselben Informationen zu – unabhängig von Ort und Zeit. Das reduziert Missverständnisse, verkürzt Abstimmungsprozesse und schafft Transparenz.
Einen weiteren Schritt in die Zukunft bildet die Integration von Predictive-Maintenance-Ansätzen: Algorithmen werten Daten aus Sensoren und Steuerungen aus, erkennen Muster und geben frühzeitig Hinweise auf mögliche Ausfälle. Ersatzteile lassen sich rechtzeitig beschaffen und Wartungseinsätze optimal planen – noch bevor es zu Ausfällen kommt. Für Betreiber bedeutet das mehr Betriebssicherheit, für Errichter weniger ungeplante Einsätze.
Normativer Rahmen für die Digitalisierung
Die Entwicklung hin zu mehr Digitalisierung in der Sicherheits- und Brandtechnik erfordert klare Leitplanken. Zwei normative Veröffentlichungen spielen dabei eine zentrale Rolle:
DIN EN 50710: Diese Norm definiert die Anforderungen für sichere Ferndienste an Brandschutz- und Sicherheitssystemen. Dazu gehören Vorgaben für Fernzugangsserver und -infrastruktur, den Betrieb am Standort sowie Prozesse zur Dokumentation von Fernzugriffen. So muss beispielsweise beim Start und Ende einer Steuerungsfunktion eine nachweisbare Mitteilung an den Auftraggeber erfolgen.
Leitlinie VDE 0826-10: Die im Juni 2024 veröffentlichte Leitlinie beschreibt Anforderungen für die Vernetzung von Sicherheitssystemen in bestehenden und neuen IT-Netzwerken. Sie richtet sich an Hersteller, Planer, Errichter, Systemintegratoren sowie Betreiber und bietet konkrete Hilfestellung von der Konzeption über die Projektierung bis zum Betrieb.
Besonders relevant ist der ganzheitliche Ansatz der VDE 0826-10: Die Leitlinie betrachtet den gesamten Lebenszyklus eines sicherheitsrelevanten IT-Netzwerks und umfasst verschiedene Gewerke – von Brandmelde- und Sprachalarmierungsanlagen über Zutrittskontrollsysteme bis hin zur Not- und Sicherheitsbeleuchtung oder zu Videosystemen.
Predictive Maintenance: Datenanalysen ermöglichen planbare Wartung und höhere Betriebssicherheit.
Bild: Hekatron
Damit entsteht erstmals ein verlässlicher Rahmen für das Zusammenspiel dieser Gewerke.
Smart Buildings: Vernetzte Systeme im Zusammenspiel
Die technologische Entwicklung schreitet stetig voran. Die Gebäude entwickeln dabei sich zu intelligenten, vernetzten Systemen. In Zukunft werden Sicherheitssysteme nicht mehr isoliert betrieben, sondern ein fester Bestandteil digitaler Infrastrukturen sein. Systeme kommunizieren miteinander, tauschen Daten aus und agieren im Smart Building zunehmend autonom.
Gelebt wird das zum Teil heute schon: Sensoren, die sich selbst überprüfen, Algorithmen, die Verschleiß vorhersagen oder Plattformen, die Daten verschiedener Gewerke zusammenführen – all das ist keine Vision mehr, sondern bereits Realität in Pilotprojekten.
Für Betreiber entsteht damit eine solide Datenbasis, die über den Aspekt Sicherheit hinausgeht: Energieeffizienz, Ressourcenschonung und ein ganzheitliches Gebäudemanagement lassen sich besser steuern.
Gleichzeitig eröffnen sich neue Geschäftsmodelle. Wartung kann künftig als Servicepaket angeboten werden – basierend auf Pauschalen oder nutzungsabhängiger Abrechnung. Auch Software-Updates oder Zusatzfunktionen können über digitale Plattformen lizenziert werden.
Damit verschiebt sich der bisherige Fokus von einmaligen Investitionen hin zu kontinuierlichen Dienstleistungen.
Vorteile für alle Beteiligten
Die digitale Transformation bietet Chancen für alle Akteure der Branche:
Errichter profitieren von effizienteren Prozessen, weniger Außendienststunden und besseren Arbeitsbedingungen.
Betreiber erhalten transparente Informationen, höhere Verfügbarkeit und planbare Kosten.
Planer greifen auf eine fundierte Datenbasis zurück und können präziser kalkulieren.
Hersteller gewinnen wertvolle Erkenntnisse aus dem Betrieb ihrer Systeme, die wiederum direkt in die Produktentwicklung einfließen können.
Diese Win-Win-Situation verdeutlicht: Digitalisierung verändert nicht nur die Technologien, sondern schafft insbesondere neue Formen der Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg.
Fazit: Digitalisierung als Motor neuer Standards
Die digitale Entwicklung im Brandschutz ist längst mehr als ein Trend. Fernzugriff, Plattformen und normative Grundlagen wie die Leitlinie VDE 0826-10 schaffen die Basis für einen nachhaltigen Wandel.
Die damit einhergehenden Möglichkeiten gilt es nun zielführend anzuwenden: Die Branche hat die Chance, diese Instrumente nicht nur zur Effizienzsteigerung zu nutzen, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Services zu entwickeln.
Der Appell der Autoren dieses Beitrages lautet daher: Wer Digitalisierung und Vernetzung aktiv in seine Prozesse integriert, stellt die Weichen für die Zukunft – mit mehr Sicherheit, höherer Verfügbarkeit und einer deutlich verbesserten Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten.
