Effizienter alarmieren und evakuieren

Digitalisierung in der Brandschutztechnik

Bei der Planung von Sicherheits- und Brandmeldetechnik lassen sich über einen softwarebasierten Gebäudezwilling bereits vor Baubeginn die erforderlichen Voraussetzungen definieren und erproben. Das Potenzial, das in einem solchen Vorgehen liegt, zeigen Lösungen für die Evakuierung im Brand- und Gefahrenfall.

Bei Bränden oder anderen Gefahrensituationen müssen Flughäfen, Bahnhöfe, Bürotürme oder große Hotels schnell und sicher evakuiert und entfluchtet werden können. Doch wie funktioniert das im Ernstfall? Und wie lassen sich große Liegenschaften systematisch und geordnet so räumen, dass Paniksituationen erst gar nicht entstehen?

Diese Fragen sind nicht neu. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder technische Ansätze, um die zu erwartenden Bewegungen von Menschenmengen im Gefahrenfall zuverlässig prognostizieren und entsprechend steuern zu können. Neu sind jedoch die technischen Möglichkeiten, die sich heute bieten. Denn die Digitalisierung bietet für die Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden ganz neue Möglichkeiten – von der Planung über den Bau bis zur Nutzung und Bewirtschaftung. Softwarebasierte Systeme avancieren damit zum zentralen Faktor.

Der digitale Gebäudezwilling

Eine zentrale Rolle spielt vor diesem Hintergrund die softwaregestützte Simulation des Gebäudes in Form eines „Digital Twin“. In Bezug auf die Planung und den Betrieb sicherheitstechnischer Systeme birgt ein solcher digitaler Zwilling gerade auch im Bereich der passiven Sicherheit große Potenziale. Die Steuerung von Personenströmen im Betriebsalltag lassen sich damit ebenso zuverlässig und praxisnah testen wie etwa Evakuierungssysteme oder Brandschutzszenarien. Der digitale Zwilling ist auch die Grundlage für die Planung und Positionierung von Brandmeldern: So lässt sich zum Beispiel die korrekte Position von Brandmeldern einfacher ermitteln. Das Brandschutzsystem der Zukunft wird damit noch weniger anfällig für zunächst unbemerkte Planungsfehler sein.

Digitalisierung optimiert Gebäudeentfluchtung

Ein konkretes Beispiel, wie sich die Sicherheit von Mensch und Gebäude durch softwaregestützte Planung erhöhen lässt, ist die Simulation der Gebäudeentfluchtung, und zwar sowohl in der Planungs- als auch in der Betriebsphase. Die Voraussetzung dafür schafft beispielsweise die aktuelle Evakuierungssimulationssoftware „Crowd Control“ von Siemens. Sie simuliert eine Gefahrensituation im Gebäude und erlaubt damit die Analyse von Evakuierungszeiten und kritischen Engpässen unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien.

Basierend auf dem 3D-Modell des digitalen Gebäudezwillings fügt die Software Einzelpersonen und Gruppen so in das virtuelle Gebäude ein, wie sie sich typischerweise im Gebäude aufhalten und bewegen. Dann wird der Evakuierungsablauf simuliert. Die Software errechnet und visualisiert die möglichen Fluchtwege sowie das zu erwartende Menschenaufkommen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass sich einzelne Personen möglicherweise entgegen der Fluchtrichtung der Menschenmenge bewegen, beispielsweise Ersthelfer, die zum Brandherd vordringen müssen.

Bereits während der Planung lassen sich somit die Stellen im Gebäude ermitteln, die gefährliche Situationen begünstigen. Eventuelle Engpässe können dann durch geeignete bauliche Maßnahmen präventiv entschärft werden. Mit den Erkenntnissen aus der Simulation lassen sich bestehende Sicherheitssysteme optimieren, indem Engpässe oder Gefahrensituationen erkannt und schon in der Planung behoben werden können. Auch bei geplanten Umbauten oder bei der Umnutzung von Gebäuden kann die Simulationssoftware sinnvoll zum Einsatz kommen.

Entfluchtung in Echtzeit planbar

Die Evakuierungssoftware macht die Entfluchtung in Echtzeit transparent und damit planbar. Sie greift dafür auf Gebäudemanagement- und Intelligent-Response-Systeme zu, die dynamisch auf Gefahrensituationen reagieren und die Menschen aus der Gefahrenzone leiten können.

Auf Basis der gebündelten Echtzeit-Informationen werden die besten Entfluchtungswege berechnet und in das Gebäudemanagement übertragen. So berücksichtigt das Programm automatisch, welche alternativen Wege genutzt werden können, wenn ein Fluchtweg plötzlich blockiert ist. Die Information der Gebäudenutzer im Gefahrenbereich und die Steuerung der Personenströme erfolgt aus dem Gebäudemanagementsystem durch integrierte Fluchtweglenkungssysteme, gestützt durch situationsspezifisch definierte Sprachdurchsagen und dynamische Anzeigen.

Soweit vorhanden, können auch Indoor-Positioning-Systeme zur zusätzlichen Alarmierung und Lenkung genutzt werden. Besonders nützlich ist dies beispielsweise in modernen Bürogebäuden, die als Business Centers oder Coworking Spaces temporär an Nutzer vermietet werden, die dort dann keinerlei Ortskenntnis haben. Ist dort ein Indoor-Positioning-System zur Personenidentifikation verbaut, kann der Fluchtweg zusätzlich auf dem Smartphone des Nutzers angezeigt werden – eine Indoor-Navigation.

Und auch bei den Alarmierungsmöglichkeiten erlauben neue Technologien und datenbasierte Erkenntnisse immer effizientere Lösungen. So gibt es die Möglichkeit, die Gebäudenutzer über Mass-Notification-Systeme zu informieren, also beispielsweise per SMS, über Social-Media-Kanäle oder durch Warnungen auf den Computerbildschirmen an den Arbeitsplätzen. Diese Anwendung ist zum Beispiel sinnvoll für Hochschulen, Industrieanlagen und andere große Liegenschaften, in denen sich Personen über einen längeren Zeitraum aufhalten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass sich jeder Gebäudenutzer im Zuge des Sicherheitskonzeptes an einem entsprechenden System registriert bzw. anmeldet.

Ausblick

Digitalisierung in der Sicherheits- und Brandschutztechnik hat viele Facetten. Der digitale Zwilling ermöglicht zum Beispiel neue Wege bei Alarmierung und Evakuierung. So können heute schon Live-Daten aus dem Gebäude übertragen und in Echtzeit als komplettes Online-Abbild des Objekts im laufenden Betrieb bereitgestellt werden. Die Potenziale sind in diesem Zusammenhang noch längst nicht ausgeschöpft: Das digitale Abbild des Gebäudes entwickelt sich vielmehr immer stärker zur Datendrehscheibe, in die unterschiedlichste Systeme integriert werden können und durch die sich Gebäudeperformance und -effizienz steigern lassen. Dank der gesammelten Daten können auch Serviceleistungen, beispielsweise rund um die Wartung, digitalisiert und effizienter gestaltet werden – wertvolle Zeit und Ressourcen werden so gespart.

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