Brandschutz als Treiber für zirkuläres Bauen
Nachhaltiger Brandschutz? – Zwischen Klimaziel und BaupraxisZirkuläres Bauen braucht Mut zur Transformation – und Brandschutz kann dabei zum Motor werden statt zum Hemmschuh. Im Interview, das die beiden EIPOS-Expertinnen Cynthia Tschentscher und Birgit Lange für BS Brandschutz geführt haben, zeigt der Architekt und Sachverständige Andreas Flock, wie Brandschutz als integratives Werkzeug Ressourcenschonung, Materialgerechtigkeit und flexible Gebäude ermöglicht. Zugleich appelliert er an öffentliche wie private Bauherrschaften, Verantwortung zu übernehmen und zirkuläre Ansätze aktiv zu fördern.
Herr Flock, Sie sind Architekt und Sachverständiger für Brandschutz und Sie engagieren sich seit vielen Jahren für die verstärkte Nutzung des Bestandes und fordern die Transformation des Bauens hin zu einer zirkulären Bauweise. Was ist Ihre Intention als Brandschutzplaner und als Architekt?
Ich möchte die Transformation des Bauens – die sowohl ökologisch als auch kulturell notwendig ist – aktiv mitgestalten. Wir brauchen einen grundlegenden Wandel, denn die Bauwirtschaft gehört zu den ressourcenintensivsten Branchen. Für mich bedeutet zirkuläres Bauen, den Bestand nicht nur zu erhalten, sondern aktiv weiterzudenken – mit Brandschutz als integrativem Bestandteil, der kreative Lösungen ermöglicht statt ver-
hindert.
Lassen Sie uns das näher betrachten. Welche Zielstellungen sehen Sie und wie kann der Brandschutzplaner darauf Einfluss nehmen?
Reduktion auf das Notwendige, Nutzung des Bestehenden und die weitestgehende Verwendung von Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen sind für mich vorrangige Ziele. Es geht darum, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Gebäude flexibel und langlebig zu gestalten. Der Brandschutz ist dabei Vermittler zwischen materieller und Rechtsgestalt, das Brandschutzkonzept ein Werkzeug der Kommunikation.
Wie verändert sich aus Ihrer Sicht dabei die Rolle der Architektinnen und Architekten im Kontext des zirkulären Bauens und des integrativen Brandschutzes?
Aus der linearen Folge von ersten Skizzen bis zum nutzungsbereiten Gebäude wird der Planungs- und Bauprozess mehr und mehr bestimmt von Reduktion, Materialgerechtigkeit und Kommunikation; immer umfassender auch von einer Planung und Organisation, die möglichst weitreichende Eigenarbeit angelernter Akteure erlaubt. Aufgaben und Verantwortungen der Architekten verlagern sich so in ein Moderieren der fachlichen Einzelprozesse, anstelle der beim Bauablauf gewohnten vorteilsorientierten Interessen. Hier wie an jeder Stelle der Betrachtung ist entscheidend, dass die skizzierte Arbeitsweise nicht morgen abgerufen werden kann, sondern sich in einer großzügigen Übergangsphase aus der aktuellen Situation entwickeln wird. Der Brandschutz wird dann in seiner struktur- und gestaltgebenden Kraft nach dem Vermögen der Beteiligten teilnehmen und die bauordnungsrechtlichen Schutzziele für alle verständlich und umsetzbar vermitteln; die zu erwartenden neuen und erfrischten bekannten Bauweisen werden mitgeprägt und können ihre Eignung nicht nur in den bautechnischen nachweisen, sondern im wirklichen Brandgeschehen zeigen.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in Ihrer täglichen Praxis? Viele sehen die aktuellen Bauvorschriften als Hindernis für nachhaltiges und zirkuläres Bauen.
Die öffentlich-rechtlichen Regelwerke bilden den Rechtsraum, um schutzzielgerechte materielle Lösungen zu begründen, ohne die geforderte brandschutztechnische Leistungsfähigkeit aufzugeben. Hinderlich sind technische Baubestimmungen wie die Muster-Holzbaurichtlinie, welche die beabsichtigte Weite der öffentlich-rechtlichen Möglichkeiten in Abwägung beteiligter Interessen einengen.
Sehen Sie eine Möglichkeit, wie die öffentliche Hand zirkuläres Bauen stärker fördern könnte – auch im Hinblick auf den Brandschutz?
Es werden einzelne Akteure sein, die mit einem Grundverständnis für die Notwendigkeit des zirkulären Wirkens und der Freude am eigenen verantwortlichen Handeln die entscheidenden Impulse setzen. Private wie öffentliche Bauherren sind gefragt, in eigenen – fachlich begleiteten – verantwortlichen und mutigen Entscheidungen ausdrücklich zu erlauben, was formal noch nicht geregelt werden konnte. Öffentliche Bauherren sind in besonderer Verantwortung, da sie vorausschauend zum Wohle der anvertrauten Gemeinschaft handeln müssen und mit einer verlässlichen Nachfrage entscheidende Impulse zur allmählichen Umorientierung der Wirtschafts-Akteurinnen setzen. Mächtige Werkzeuge dabei sind der grundsätzliche Erhalt von Gebäuden und das Zirkulieren der Nutzungen, bevor noch Elemente entnommen und in noch nicht vollumfänglich wirksame Kreisläufe gegeben werden (1).
Gibt es konkrete Projekte, die als Vorbild für zirkuläres Bauen mit integriertem Brandschutz dienen können?
Oft zitiert, aber als eines der sehr gründlich dokumentierten Bauvorhaben darf das CRCLR-Haus in Berlin gelten. Es ist Teil der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin, welche von der Edith-Maryon-Stiftung erworben wurde und nun schrittweise zu nachhaltig wirksamen, eigenständigen und zirkulär wirkenden Orten entwickelt wird, deren Nutzungen stark mit den Nachbarschaften verbunden sind. Das CRCLR-Haus wird seit den ersten Initialnutzungen der Agora baut brandschutztechnisch begleitet. Die Umnutzung der ehemaligen Lagerhalle zu einem Einraum zirkulären Wirkens und Wissens-Austausches jenseits baurechtlicher Grenzen war der Beginn einer Transformation zu dem nun fertiggestellten Zusammen-Arbeitsplatz auf zwei Ebenen aus gefundenen und nachhaltigen Materialien, zum guten Teil hergestellt in Eigenarbeit. Schon in diesem Raum wurden teils gegensätzliche Konzeptansätze erprobt.
Ein vollständiger Neustart unter weitestgehender Verwendung des bereits Geleisteten – auch dies ist zirkulär - erfolgte bei der Aufstockung der Halle um bis zu drei Geschosse. Dieser war ursprünglich als differenzierter durchgehender Riegel mit zahlreichen feuerbeständigen Abschnittsbildungen geplant. Diese Teilung zusammen mit zu komplizierten – nicht mehr zirkulären – Details war Anlass für einen Workshop mit Planern und Nutzern zur Überarbeitung: Der im Grundriss liegende Treppenraum der Aufstockung über der Erdgeschoss-Halle wurde an die Nordkante des Gebäudes gesetzt, so dass nun beide durchgehend stählerne und demontierbare Treppen außerhalb der Erdgeschoss-Halle als Außentreppen auf das Gelände geführt werden. Aus der Abschnittsbildung über die Länge des Riegels wurden zwei Häuser oberhalb der Halle, brandschutztechnisch getrennt durch ein gemeinsam genutztes Gewächshaus statt einer Brandwand. Diese Häuser bis zur Gebäudeklasse 5 sind entworfen als Holz-Tische mit freien Grundrissen, im Westhaus aus Wohnungsclustern einer Fläche von 400 m2 ohne feuerbeständige Trennwände. Ihre Außenwände werden abwechselnd aus raumabschließend feuerhemmenden Strohballenwänden und nicht brennbaren raumhohen Fensterelementen – die für die Entsorgung bestimmt waren und gerettet werden konnten – gebildet.
Welche Anforderungen ergeben sich daraus jetzt und zukünftig für die Qualifikation von Brandschutzplanern?
Neben der fachlichen Befähigung das Interesse, sich auf die teilweise ungewohnten Planungs- und Bauprozesse einzulassen; auch, gemeinschaftlich organisierte Bauherrenschaften intensiv zu begleiten.
Kommentar von Cynthia Tschentscher und Birgit Lange (EIPOS):
Das sehen wir genauso und wollen zukünftig hier mit unseren Weiterbildungsangeboten ansetzen. Fachfortbildungen und praxisnahe Seminare sollen Planerinnen und Planern auf diese Arbeitsweise vorbereiten. Darauf wollen wir uns bei EIPOS konzentrieren. Und diese Arbeitsweise beinhaltet auch das eigene Werk als ständigen Lernprozess zu verstehen. Zertifikate sind dabei Gradmesser bestimmter theoretischer Eignungen, müssen aber sehr projektorientiert vermittelt und erlebt werden können. Nur, wenn auch Fachfortbildungen sich der praxisnahen, prozesshaften Beweglichkeit stellen und auch die Regelwerke selbst nicht schonen, wird die notwendige ausreichende Wirksamkeit zu bemerken sein.
(1) Literaturhinweis: Die obsolete Stadt, Wege in die Zirkularität, Steffan Rettich und Sabine Tastel, Jovis 2025
