Wie gefährlich sind Elektroautos?

Statistische Daten geben Hinweise

Elektrofahrzeuge brennen ähnlich häufig wie konventionelle Autos – so die VDI-Expertin Dr. Dana Meißner, die den Bereich Forschung & Entwicklung am Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit e.V. in Rostock Warnemünde leitet. Wer die Nachrichten verfolgt, wird wahrscheinlich aber zu einem ganz anderen Schluss kommen. Ein guter Anlass, um einer berufenen Expertin vom VDI ein paar Fragen zur Aussagekraft von Statistiken zu stellen.

Dr. Dana Meißner leitet den Bereich Forschung & Entwicklung am Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V. in 18119 Rostock-Warnemünde.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Dr. Dana Meißner leitet den Bereich Forschung & Entwicklung am Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V. in 18119 Rostock-Warnemünde.
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BS Brandschutz: In einer Pressemitteilung vom VDI werden Sie mit der Aussage zitiert, dass Elektroautos nicht überdurchschnittlich häufig brennen. Also alles in Butter?

Dana Meißner: Ihre Frage zielt wohl auf eine vergleichende Risikobewertung zwischen konventionellen und elektrischen Fahrzeugen ab. Die Fragestellung an sich müsste man eigentlich präziser formulieren, denn es ist ein Unterschied, ob ein Elektrofahrzeug brennt oder ob ein Brand von ihm ausgeht. Ist also das Risiko für eine Brandentstehung durch ein Elektrofahrzeug höher oder sind die Risiken während eines Brandes eines solchen Fahrzeuges anders? Dies wird aber in der Berichterstattung oft in einen Topf geworfen.

BS Brandschutz: Einverstanden, betrachten wir die Dinge getrennt. Wie ist also das Risiko für die Brandentstehung an einem Elektrofahrzeug im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen zu bewerten? Können Sie dies genauer beziffern? Was sind die Quellen für Ihre Zahlen? Bekanntlich sind verlässliche Statistiken über Brandfälle ein Kapitel für sich….

Dana Meißner: Tatsächlich hat sich die Datenlage in den letzten Jahren verbessert und man kommt zunehmend zu dem Schluss, dass von Elektrofahrzeugen kein höheres Risiko einer Brandentstehung ausgeht. In der Regel sind in diesen Statistiken Fälle erfasst, wo isoliert stehende Fahrzeuge abgebrannt sind, so dass die Brandursache auch diesem Fahrzeug zuzuordnen ist. Da diese Statistiken aus verschiedenen Ländern, auch mit unterschiedlichen Kulturen, kommen, schätze ich diese Aussage als belastbar ein. Statistisch geraten E-Fahrzeuge häufig beim Aufladen in Brand – was auch an mangelhaftem Gerät und fehlerhafter Bedienung liegt. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Statistisch geraten E-Fahrzeuge häufig beim Aufladen in Brand – was auch an mangelhaftem Gerät und fehlerhafter Bedienung liegt. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

So erfasste man in Finnland ca. 5 Fälle pro 10.000 konventionellen Fahrzeugen, verglichen mit 5,2 (2018) bzw. 2,8 (2019) Bränden pro 10.000 vollelektrischen Autos. Für Hybridfahrzeuge sind die Fallzahlen noch deutlich geringer [1]. Die Ausfallrate von Elektrofahrzeugen liegt laut Statistik der National Big Data Alliance of New Energy Vehicles in China bei etwa 0,9–1,2 pro 10.000 Fahrzeuge verglichen mit 1,06 Brandunfällen pro 10.000 chinesischen konventionellen Fahrzeugen [2].

In Schweden ermittelte man zwischen 2018 und 2021 57 Brände in vollelektrischen oder Hybrid-Fahrzeugen. Die Gesamtzahl der in Schweden jedes Jahr in Brand geratenen Personenkraftwagen liegt bei rund 4.000. Die Gesamtzahl der Elektro-/Hybridfahrzeuge in Schweden betrug im Jahr 2021 452.413, verglichen mit 4.534.337 Fahrzeugen mit anderer Antriebsenergie [3].

Auch deutsche Unfallforscher kommen zu der Aussage, dass die Gefahr einer Brandentstehung für Elektrofahrzeuge nicht größer ist als für konventionelle [4], [5].

Havariesituationen bei Bränden von Elektrofahrzeugen (113 untersuchte Fälle).
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Havariesituationen bei Bränden von Elektrofahrzeugen (113 untersuchte Fälle).
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.
Für den Autotransport – egal ob im Fährbetrieb oder für den Export – sind heute große Schiffe im Einsatz wie hier die City of St. Petersburg für rund 2.000 Fahrzeuge. Da kommt an Brandlast bei Vollbeladung einiges zusammen.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.
Für den Autotransport – egal ob im Fährbetrieb oder für den Export – sind heute große Schiffe im Einsatz wie hier die City of St. Petersburg für rund 2.000 Fahrzeuge. Da kommt an Brandlast bei Vollbeladung einiges zusammen.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.
Aber Sie haben recht: Statistiken sind so eine Sache. Man muss auch genauer hinschauen, wie es eigentlich zu diesen Bränden kam. Im ALBERO-Projekt [6] und auch darüber hinaus haben wir am Institut, soweit möglich, auch die Situationen erfasst, bei denen ein Elektrofahrzeug in Brand geriet. Dabei fällt auf, dass es viele Brände beim Laden von E-Autos gibt. Wenn man dies wiederum genauer anschaut, stellt sich heraus, dass dabei oft Fehler gemacht werden, die Leute also z.B. ihre E-Autos an Haushaltssteckdosen laden, die dafür nicht ausgelegt sind. Auch solche Dinge verzerren natürlich eine Statistik, denn dieses Problem liegt primär beim Nutzer. Die Unkenntnis im Umgang mit diesen Fahrzeugen ist noch sehr groß und in der Fahrschule lernt man derzeit immer noch vor allem, dass man ein Dieselfahrzeug nicht mit Benzin betanken darf, aber wie ein E-Auto richtig geladen wird, spielt keine Rolle. Hier ist noch Einiges zu tun.

Wenn ein Elektrofahrzeug dann einmal brennt, ist der Brandverlauf jedoch tatsächlich anders als bei einem konventionellen Fahrzeug, aber dies ist ein gesondertes größeres Thema. In diesem Artikel sollten Statistiken im Vordergrund stehen.

BS Brandschutz: Es gibt Möglichkeiten, die statistische Angaben verzerren können, zum Beispiel die Berücksichtigung von Sabotage-Akten: Aus Berlin gab es eine Zeit lang regelmäßig Berichte über nächtliche Brandstiftungen. Insgesamt soll es im Mittel mehr als ein Fahrzeug pro Nacht gewesen sein, das angezündet wurde. Heute hört man fast nichts mehr davon, was aber nicht heißen muss, dass die Zahl der Brandstiftungen tatsächlich zurückgegangen ist. Wie werden solche Fälle verbucht?

Dana Meißner: In der Tat hat die Polizei von Berlin für das Jahr 2021 mindestens 396 Brandstiftungen an Fahrzeugen erfasst. Soweit ich weiß, wird bei der Erfassung jedoch nicht zwischen Fahrzeugtypen unterschieden [7]. In der obigen Abbildung stehen auch zwei Fälle von Brandstiftung, sicher gibt es eine höhere Dunkelziffer, da dies nicht immer erkannt wird.

Gerade in der Zeit, als Elektrofahrzeuge aufkamen, waren diese noch sehr teuer. Entsprechend konnte sich nur eine entsprechende Klientel ein solches Fahrzeug leisten, welche dadurch durchaus im Fokus von Brandstiftungen standen. 2011 war man einem 28-Jährigen auf die Spur gekommen, der aus Frust allein 102 Autos – meist teure Marken – angezündet hatte. Im Prozess sagte er damals: „Die Reichen sollten sich mal ärgern“ [7]. Dies ist wohl unter anderem ein Grund, warum die Kennzeichnung mit einem E am Ende des Nummernschildes freiwillig ist – nicht jeder möchte, dass sein Fahrzeug sofort als E-Auto erkannt wird. Auch hier lohnt es sich also, die Hintergründe von Statistiken genauer zu hinterfragen. Wenn ein einzelnes E-Fahrzeug auf dem Transportdeck – aus welchen Gründen auch immer – Feuer fängt, dann ist ein richtiger Eintrag in die Statistik einfach. Aber ist das ein häufiger Fallß
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Wenn ein einzelnes E-Fahrzeug auf dem Transportdeck – aus welchen Gründen auch immer – Feuer fängt, dann ist ein richtiger Eintrag in die Statistik einfach. Aber ist das ein häufiger Fallß
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.
  Wenn auf vollem Deck ein Fahrzeug anfängt zu brennen, dann wird die Zuordnung, ob der Brand von einem Elektroauto oder von einem Verbrenner ausgegangen ist, schwierig.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.
Wenn auf vollem Deck ein Fahrzeug anfängt zu brennen, dann wird die Zuordnung, ob der Brand von einem Elektroauto oder von einem Verbrenner ausgegangen ist, schwierig.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Inzwischen hat sich diese Situation aber deutlich verändert und ein E-Auto wird zunehmend erschwinglich. Die leichte Erkennbarkeit der Antriebsart von außen, z.B. über das Nummernschild, wäre aus unserer Sicht sehr sinnvoll und sollte verpflichtend sein. Entscheidungen für die effektivsten präventiven und abwehrende Sicherheitsmaßnahmen könnten dann von verantwortlichen Personen oder Einsatzkräften schneller getroffen werden.

BS Brandschutz: Wenn die Elektroautos in die Jahre kommen, wird auch die Technik altern. Sind mit der Alterung erhöhte Risiken für Brände verbunden?

Dana Meißner: Ich denke, auch für Elektrofahrzeuge trifft hinsichtlich des statistischen Ausfallrisikos der so genannte Badewanneneffekt zu, der als allgemein zutreffend akzeptiert ist [8]. Das heißt, dass einerseits neue technische Geräte ein vergleichsweise hohes Ausfallrisiko haben, welches vor allem auf Herstellerfehler zurückzuführen ist. Ist diese Zeit „überstanden“, arbeiten die Geräte oft lange zuverlässig. Ab einem bestimmten Alter kommt es dann zu üblichen Verschleißerscheinungen und damit nimmt das Risiko für Defekte wieder zu. Heißt: Neuwagen direkt vom Hersteller und alte Gebrauchtwagen sind wohlmöglich besonders anfällig für Havarien, hierfür fehlen allerdings konkret für Elektrofahrzeuge noch zuverlässige Daten. Überträgt man nun diesen Effekt z.B. auf die in letzter Zeit viel diskutierten Havarien von Autofrachtschiffen, die Elektrofahrzeuge an Bord hatten, dann ergibt sich ein besonderes Risiko möglicherweise daraus, dass damit zur Zeit vor allem ganz neue Fahrzeuge transportiert werden. Ich möchte allerdings ganz deutlich darauf hinweisen, dass bisher (August 2023) die genaue Brandursache weder für den Fall der „Felicity Ace“ noch für die „Fremantle Highway“ tatsächlich bekannt ist! Aber zurück zum Badewanneneffekt: Die Verringerung von Herstellerfehlern sollte, wie der Name schon sagt, vor allem bei den Herstellern liegen. Eine Möglichkeit wäre hier ggf. eine Verpflichtung zur Durchführung von mehreren Lade- und Entladezyklen vor Auslieferung von Neuwagen, um solche Defekte besser zu erkennen. Im Moment ist dies nicht üblich. Ein durchdachtes Energiemanagement und eine intakte Ausrüstung sind stets Pflicht.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Ein durchdachtes Energiemanagement und eine intakte Ausrüstung sind stets Pflicht.
Bild: Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V.

Wie sich in die Jahre gekommene Elektrofahrzeuge verhalten werden, ist in der Tat eine spannende Frage. Aus meiner persönlichen Wahrnehmung brennen aber andere alte Geräte, die mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben werden, nicht auffällig öfter als neuere. Rein vom chemischen Verständnis her ist dies nachvollziehbar, da sich die verfügbare Ladekapazität eines Akkus mit den Jahren verringert, und es ist bekannt, dass von einem maximal geladenen Akku eine deutlich höhere Brandgefahr ausgeht als von einem teilgeladenen.

BS Brandschutz: Das Thema scheint in der Tat komplex. Sind Statistiken zur Risikobewertung denn überhaupt sinnvoll oder eher irreführend?

Dana Meißner: Sie sind auf jeden Fall sinnvoll, man muss jedoch genau hinschauen, was sie eigentlich aussagen. Wie gesagt, für den Brand eines Elektroautos ist nicht immer das Auto verantwortlich. Generell würde ich mir wünschen, dass man eine bessere Datenlage schafft, um belastbare Aussagen treffen zu können. Seit längerem rege ich an, dass z.B. Feuerwehren bei Fahrzeugbränden die entsprechenden Daten erfassen: Was war das für ein Fahrzeug? In welcher Situation fand man es vor? Welche Brandbekämpfung führte zum Erfolg? Gab es Rückzündungen? Usw. Im Moment scheitern solche Ansätze aber oft an der Personalsituation, am deutschen Föderalismus, an mangelnder Digitalisierung und es ist auch nicht im Interesse jedes Fahrzeugherstellers, solchen Daten öffentlich zu sammeln.

BS Brandschutz: Der VDI will Technik sicherer und besser machen – unterstelle ich sicher nicht zu Unrecht. Gibt es da von Ihnen eine Empfehlung oder Handreichung?

Dana Meißner: Die Zahl der Elektrofahrzeuge wird weiter zunehmen. Unter anderem die Betreiber von Garagen und Parkhäusern müssen sich auf diese neue Situation einstellen und nachrüsten oder bei Neubauten darauf achten, ihre Anlagen zukunftssicher zu gestalten. Die VDI-Expertenempfehlung 5950 Blatt 2 „Brandschutz auf Parkflächen und Ladeplätzen für Elektrofahrzeuge“ kann dabei umfangreich unterstützen.

VDI EE 5950 Blatt 2

„Elektromobilität – Brandschutz auf Parkflächen und Ladeplätzen für Elektrofahrzeuge - Empfehlungen für Bestands- und Neubauten“ lautet die aktuelle VDI Richtlinie zum Thema, die im August 2023 erschien. Sie ist in Deutsch erhältlich und umfasst 13 Seiten. Über den folgenden Link erreichen Sie die Landingpage beim VDI mit weiteren Informationen, dem Inhaltsverzeichnis und einer Bestellmöglichkeit:
https://t1p.de/bs_2023_02_vdi_elektrofahrzeuge

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