Orientierung bei Umbauten, ­Umnutzung und Sanierungen

WTA-Regeln für den Brandschutz im Bestand – Teil 1

Beim Planen und Umbauen von Bestandsgebäuden geraten Brandschutzanforderungen häufig in Konflikt mit bestehenden Strukturen und historischen Materialien. Da geltende Vorschriften in der Regel für Neubauten entwickelt wurden, fehlen klare technische Regeln für den Brandschutz im Bestand. Um diese Lücke zu schließen, entwickelt die Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft (WTA e. V.) seit 2019 praxisorientierte Merkblätter. Sie bieten Planenden und Behörden Orientierung, wie sich Brandschutz, Bestandsschutz und Denkmalpflege fachgerecht in Einklang bringen lassen.

Brandschutzanforderungen für Bestandsgebäude, insbesondere für solche, die umgenutzt, erweitert, aufgestockt oder umgebaut werden sollen, spielen beim Bauen im Bestand eine immer größere Rolle. Da die heutigen Verordnungen und Richtlinien regelmäßig nur Vorschriften für neu zu errichtende Gebäude enthalten, werden sie zumeist auch bei Bestandsgebäuden angewendet, was oft zu einem umständlichen Abweichungs- oder Erleichterungsprozedere und nicht selten zu unnötigen Verwerfungen führt. Insofern ist es oftmals schwierig, für Bestandsgebäude die erforderlichen Brandschutzanforderungen durchzusetzen - nicht zuletzt deswegen, weil es an einschlägigen Regelwerken für den Brandschutz im Bestand mangelt.

Diese Lücke der fehlenden anerkannten Regeln der Technik für die Brandschutzplanung und -ausführung im Bestand soll nun zunehmend mit den sich teilweise bereits bewährt habenden Merkblättern der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft (WTA e. V.) geschlossen werden. Diese können als geeignete Regeln für den vernünftigen Brandschutz im Bestand eine entsprechende Anwendung finden und durch alle beteiligten Planenden genutzt werden, die sämtliche miteinander konkurrierenden Schutzinteressen des Brand-, Bestands- und ggf. auch des Denkmalschutzes gleichermaßen zu berücksichtigen haben. Von heutigen Regeln vielfältig abweichendes Bestandsgebäude.
Bild: Prof. Gerd Geburtig

Von heutigen Regeln vielfältig abweichendes Bestandsgebäude.
Bild: Prof. Gerd Geburtig

Das Referat 11 „Brandschutz“ in der WTA e. V.

Um die gesamte Breite der Aufgaben der Erhaltung und Instandsetzung von Bauwerken sowie der Denkmalpflege hinreichend abdecken zu können, wurden in der WTA e. V. bisher zwölf Referate eingerichtet, die sich infolge ihrer interdisziplinären Zusammensetzung und der Zusammenarbeit von Experten aus der Wissenschaft, der Planung, der Baupraxis und den Behörden mit der Bearbeitung der anstehenden Sachgebiete befassen.  Die fachübergreifende Mitarbeit der Experten findet in den Referaten und Arbeitsgruppen statt; die Zielsetzung ist überwiegend die Erstellung von Merkblättern. Diese WTA-Merkblätter genießen in Fachkreisen hohes Ansehen und bilden in deutschen und zunehmend auch internationalen Ausschüssen die Grundlage für die Erarbeitung neuer Normen und Richtlinien sowie Standardleistungsbücher im Auftrag des zuständigen Bundesministeriums für Wohnungsbau [1]. Den Konflikten während der Planung und Ausführung von Brandschutzmaßnahmen bei Bestandsgebäuden stellt sich innerhalb der WTA e. V. seit 2019 das Referat 11 „Brandschutz“ und erarbeitet ein Regelwerk für den angemessenen Umgang mit den Notwendigkeiten des Brandschutzes beim Gebäudebestand. Informationen zur Arbeit der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft (WTA e. V.) gibt es unter www.wta-international.org.
Bild: Screenshot von www.wta-international.org.

Informationen zur Arbeit der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft (WTA e. V.) gibt es unter www.wta-international.org.
Bild: Screenshot von www.wta-international.org.

WTA-Merkblätter zu Themen des Brandschutzes

Das Ziel des Referates Brandschutz ist es, auf einem Grundlagenmerkblatt aufbauend, eine ganzheitliche Strategie sowohl für die Brandschutzplanung im Bestand als auch für die geeignete Umsetzung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen bis hin zum Brandschutzmanagement für Bestandsgebäude zu entwickeln.

Weitere Merkblätter setzen sich mit den jeweiligen Detailfragen des Brandschutzes im Bestand auseinander. Das betrifft zunächst die Grundlagenermittlung und die Analysephase von bestehenden Bauwerken hinsichtlich des Brandschutzes. Mit diesen beiden Themen beschäftigt sich das Merkblatt 11-2. Dem folgen ein allgemeines Merkblatt mit den spezifischen Grundlagen für eine Brandschutzplanung im Bestand (11-3).

Weitere Merkblätter wurden bzw. werden derzeit u. a. zu unterschiedlichen Themen der Brandschutzplanung bei Sonderbauten (11-4), der Barrierefreiheit (11-5) und der möglichen Klassifizierung und Beurteilung von Bestandsbauteilen (11-7) erarbeitet. Struktur der herausgegebenen und geplanten WTA-Merkblätter zum Brandschutz.
Bild: WTA e. V.

Struktur der herausgegebenen und geplanten WTA-Merkblätter zum Brandschutz.
Bild: WTA e. V.
  Das WTA-Merkblatt 11-1.
Bild: WTA e. V.
Das WTA-Merkblatt 11-1.
Bild: WTA e. V.

Das grundlegende Merkblatt 11-1

Das Fundament der WTA-Regelgebung zum Brandschutz für Bestandsgebäude und Baudenkmale wurde mit dem ersten Merkblatt 11-1 „Brandschutz im Bestand und bei Baudenkmalen nach WTA I: Grundlagen“ [2] gelegt, welches im November 2020 erschien.

Als Ausgangspunkt für eine korrekte Handhabung des Brandschutzes bei Bestandsgebäuden und Baudenkmalen werden in dem Merkblatt 11-1 die Begriffe des Bestandsschutzes in Beziehung zu den gegenwärtigen Forderungen des Brandschutzes bei einer Modernisierung, einem Umbau oder einer Umnutzung erörtert. In den Kapiteln zur Brandschutzplanung allgemein und zur Genehmigungsplanung werden zudem die Themen der Barrierefreiheit und des Kulturgutschutzes beleuchtet. Hinsichtlich der Genehmigungsplanung wird die Unterscheidung der unumgänglichen und der lediglich optimierenden Brandschutzmaßnahmen aufgezeigt sowie das gebotene Prozedere für das Erlangen von Abweichungen und Erleichterungen veranschaulicht. Indessen erfolgt eine detaillierte Erläuterung der verschiedenen Formen von Abweichungen, die aus bauaufsichtlicher Sicht möglich sind, wobei ergänzend der korrekte Umgang mit der jeweiligen Abweichungsart zugeordnet wird. Damit ist es möglich, weitgehende Spielräume für die Erhaltung bauzeitlicher Substanzen zu erzielen und dennoch eine behördliche Zustimmung zu erlangen.

Das Kapitel 8 des Merkblatts widmet sich möglichen Beurteilungen und Klassifizierungen von bestehenden Bauteilen und den dabei zu berücksichtigenden Grenzen. Unter anderem wird dabei die Auslegung des Arbeitsausschusses DIN NA 005-52-04 AA vom 16. November 2018 aufgegriffen, mit der die Anwendung von früheren Fassungen von DIN 4102 in der Praxis bestätigt wird. Für die Bewertung von Bestandsbauteilen kommt es dabei vor allem darauf an, sich mit der erteilten Baugenehmigung und den Regeln der Bauzeit zu beschäftigen, um einen Bestandsschutz dafür und die konkrete Leistungsfähigkeit zu belegen.

Die grundsätzlichen Regelungen des Merkblatts 11-1 werden mit den folgenden Merkblättern hinsichtlich der Detailfragen zum Brandschutz im Bestand konkretisiert. Dazu wurden zunächst im Jahr 2023 die weiterführenden WTA-Merkblätter 11-2 „Grundlagenermittlung / Analyse-Phase“ [3] und 11-3 „Brandschutzplanung“ [4] veröffentlicht.

WTA-Merkblatt 11-2: Grundlagenermittlung und Analyse-Phase

Der als Grundbaustein für sämtliche anschließenden Planungen wesentlichen Phase der brandschutztechnischen Grundlagenermittlung widmet sich das Merkblatt 11-2 „Brandschutz im Bestand und bei Baudenkmalen nach WTA II: Grundlagenermittlung/Analyse-Phase“: In diesem werden die wichtigsten Parameter für eine Brandschutzplanung im Bestand und bei Baudenkmalen zusammengestellt, unterschiedliche Ausgangssituationen für eine Brandschutzplanung im Bestand betrachtet und die jeweils daraus erforderliche brandschutztechnische Planungsleistung beschrieben.

Oft unterschätzt wird beispielsweise die zum Beginn einer brandschutztechnischen Planung zwingend notwendige, gründliche Analyse des jeweiligen Anlasses für eine Brandschutzplanung im Bestand. Es wird beschrieben, welche grundlegenden Fallunterscheidungen dabei möglich und sinnvoll sind, um u. a. den überhaupt notwendigen Umfang einer Brandschutzplanung bestimmen zu können. Dem folgen die Analyseschritte zur archivalischen und historische Bestandsanalyse einer bestehenden baulichen Anlage. Es sind bestehende Baugenehmigungen und geprüfte Bauantragsunterlagen, bauzeitliche Rechtsnormen und Baubestimmungen oder auch ergänzende Literaturquellen für Analogievergleiche als Basis für die Beurteilung der Ausgangssituation einzusehen. Zudem werden die wesentlichen Aspekte einer sich anschließenden brandschutztechnischen Bestandserfassung und -beurteilung behandelt. Dazu werden wertvolle Hinweise in Bezug auf die Vorbereitung der brandschutztechnischen Bestandsbegehung und des erforderlichen Umfangs einer brandschutztechnischen Bestandserfassung einschließlich der gebotenen Dokumentation gegeben. Brandschutztechnisch sorgfältig behandeltes Bestandsgebäude.
Bild: Prof. Gerd Geburtig

Brandschutztechnisch sorgfältig behandeltes Bestandsgebäude.
Bild: Prof. Gerd Geburtig

WTA-Merkblatt 11-3: Brandschutzplanung

Das Merkblatt 11-3 behandelt die Besonderheiten einer Brandschutzplanung für bestehende Gebäude und Baudenkmale. Mit einer Brandschutzplanung, die eine Um- und Weiternutzung bestehender Gebäude ermöglicht, werden neben der Erhaltung von sog. grauer Energie die Entstehung von Abfällen in der Bauwirtschaft vermieden und die aufzuwendende Menge an Primärenergie für Neubauten verringert. Der substanzerhaltenden Brandschutzplanung kommt somit eine besondere Rolle zu, weil damit eine Ressourcenschonung im Bausektor zu erreichen ist und Bestandsbauteile umfassend erhalten werden können. In Korrespondenz zu den üblichen Leistungsphasen bei einer Brandschutzplanung werden dafür die bestandsspezifischen Erfordernisse in dem Merkblatt beschrieben.

Es wird erläutert, welche ergänzenden Planungsschritte beim sachgerechten Umgang mit Bestandsgebäuden zu beachten sind, damit zum einen eine sichere, angemessene und gleichzeitig bestandsverträgliche Brandschutzplanung erreicht werden kann.

Während einer Brandschutzplanung für Bestandsgebäude gilt es vor allem, sich neben den Brandschutzanforderungen für einen vergleichbaren Neubau, mit den Randbedingungen hinsichtlich der Anordnung auf dem Grundstück, den im Bestand vorhandenen Bauteilen und den bisherigen Nutzungen auseinanderzusetzen. In diesem Merkblatt werden dazu die notwendigen brandschutztechnischen Planungsphasen detailliert behandelt, die auf der Struktur des AHO-Heftes Nr. 17 „Leistungen für Brandschutz“ der AHO-Schriftenreihe [5] in Bezug zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) [6] beruhen und damit mit dieser weit verbreiteten Honorarordnung korrespondieren.

Ein bedeutsamer Bestandteil des Merkblatts besteht in der Behandlung der einzelnen Planungsphasen des Brandschutzes gemäß dem o. g. AHO-Heft Nr. 17 und dem Herausarbeiten spezifischer grundlegender Planungserfordernisse und -schritte, die zusätzlich bei bestehenden baulichen Anlagen notwendig sind und erläutert damit die ausschlaggebenden und auch unbedingt honorarseitig zu beachtenden Unterschiede gegenüber einer Brandschutzplanung für einen vergleichbaren Neubau.   

 

Literatur

[1] www.wta-international.org

[2] WTA-Merkblatt 11-1, Brandschutz im Bestand und bei Baudenkmalen nach WTA I: Grundlagen, Ausg. 11.2020/D

[3] WTA-MB 11-2, Brandschutz im Bestand und bei Baudenkmalen nach WTA II: Grundlagenermittlung/Analyse-Phase, Ausg. 04.2023/D

[4] WTA-MB 11-3, Brandschutz im Bestand und bei Baudenkmalen nach WTA III: Brandschutzplanung, Ausg. 04/2023/D

[5] AHO-Fachkommission „Brandschutz“, Leistungsbild und Honorierung Nr. 17: Leistungen für den bauordnungsrechtlichen Brandschutz, Stand: Dezember 2022, 4. Aufl.

[6] HOAI, Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI) in der Fassung von 2021

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