Digitalisierung im Brandschutz: Entwicklungen und Perspektiven

Ein Interview mit Petra Riesterer

Seit Anfang 2022 ist Petra Riesterer Geschäftsführerin der Hekatron Vertriebs GmbH in Sulzburg. Sie hat Elektrotechnik studiert und ist bereits seit 2004 bei Hekatron in unterschiedlichen Funktionen tätig gewesen. Im Interview berichtet sie über den Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen und gibt einen Ausblick in die weitere Zukunft.

Die Digitalisierung könnte einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich fehlender Fach- und Arbeitskräfte leisten – einem der drängendsten Themen der heutigen Zeit, meint Petra Riesterer.
Bild: Hekatron/Bashi Bender

Die Digitalisierung könnte einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich fehlender Fach- und Arbeitskräfte leisten – einem der drängendsten Themen der heutigen Zeit, meint Petra Riesterer.
Bild: Hekatron/Bashi Bender

BS Brandschutz: Frau Riesterer, die Daten im Vorspann zeigen, dass Sie ein Eigengewächs von Hekatron sind und dass Sie sich zum Zeitpunkt Ihres Starts als Chefin bereits in der Branche und mit der Technik entsprechend gut auskannten. Was waren Ihre Ziele, mit denen Sie vor gut 1 ½ Jahren angetreten sind?

Petra Riesterer: Besonders wichtig war für mich von Anfang an, den bereits eingeschlagenen Weg der Digitalisierung bei Hekatron konsequent weiterzuverfolgen und für alle unsere Geschäftsfelder zugänglich zu machen. Damit unsere Lösungen genau die Bedürfnisse der Anwender treffen, gestalten wir die Zukunft und insbesondere die Digitalisierung im Brandschutz gemeinsam mit unseren Hekatron-Kunden.

BS Brandschutz: Und wie sieht Ihre Bilanz bis heute aus?

Petra Riesterer: Wir investieren bei Hekatron bereits seit zehn Jahren in digitale Applikationen. Über 19.000 Unternehmen vertrauen auf unsere Tools. Bundesweit sind inzwischen mehr als 350.000 Brandschutzsysteme von Hekatron digital eingebunden. Wir haben also schon einiges erreicht und sind zum richtigen Zeitpunkt mutig gestartet. Trotzdem ist das erst der Anfang. Wir werden unsere digitalen Tools kontinuierlich weiterentwickeln und das Benutzererlebnis laufend verbessern.

BS Brandschutz: Auf der Messe Feuertrutz haben Sie für die Digitalisierung von Geschäftsabläufen Ihrer Kunden eine neue Version des Service-Portals „Mein HPlus“ vorgestellt, die mehrere Teillösungen integriert. Was kann die neue Version und an welche Zielgruppen richtet sie sich?

Petra Riesterer: Wir adressieren mit „Mein HPlus“ mehrere Zielgruppen zu all unseren Anwendungen und Systemen: Errichter von Brandmeldesystemen, Verbauer und Wartungsunternehmen für Feststellanlagen sowie Planer. „Mein HPlus“ unterstützt sie in allen Phasen der Wertschöpfungskette. Bei unserem umfassenden Update im Juli haben wir für ausgewählte Kunden bereits einige zusätzliche Funktionen freigeschaltet, um von ihnen frühzeitig Feedback für die kontinuierliche Weiterentwicklung vor dem eigentlichen Go-Live zu erhalten. Diese Funktionen ermöglichen erstmalig die Prüfung von Brandmeldesystemen anderer Hersteller. Damit schlägt Hekatron ein neues Kapitel auf.

BS Brandschutz: Welche Funktionen und Geräte, die nicht von Hekatron sind, können aktuell integriert werden und was soll da bis wann noch passieren?

Petra Riesterer: Grundsätzlich kann heute schon jedes Produkt und jedes Gewerk angelegt werden. Jeder Anwender ist in der Lage, Geräte in einem Katalog anzulegen und hat damit die Möglichkeit, „Mein HPlus“ individuell an das eigene Geschäft anzupassen. Gepaart mit unserer Systemverwaltung können Prüfprotokolle, beispielsweise für Abnahmen, Inbetriebnahmen oder Instandhaltungsprozesse, erstellt werden. Wir werden in zunehmendem Maße aber auch Prüfprotokoll-Vorlagen hinterlegen. Aktuell haben wir neben unseren Feststellanlagen-Protokollen zum Beispiel ein Prüfprotokoll für Feuerlöscher angelegt, da wir hier auf große Nachfrage gestoßen sind und dies auch für unsere zukünftigen Rauchwarnmelder-Kunden ein wichtiger Baustein sein wird. Die Einbindung von Brandmeldesystemen unserer Marktbegleiter ist mit der aktuellen Version sehr komfortabel möglich. Auf der Bedienoberfläche von „Mein HPlus“ sehen die Nutzer sofort, ob eine dringende Wartung oder Reparatur ansteht und was erledigt worden ist.
Bild: Hekatron

Auf der Bedienoberfläche von „Mein HPlus“ sehen die Nutzer sofort, ob eine dringende Wartung oder Reparatur ansteht und was erledigt worden ist.
Bild: Hekatron
Die Funktionen von „Mein HPlus“ funktionieren auch mobil. So wandern die vor Ort gewonnenen Informationen sofort in die Cloud und sind in der Zentrale verfügbar.
Bild: Hekatron
Die Funktionen von „Mein HPlus“ funktionieren auch mobil. So wandern die vor Ort gewonnenen Informationen sofort in die Cloud und sind in der Zentrale verfügbar.
Bild: Hekatron

BS Brandschutz: Wie ist das mit den Daten? Verwalten Sie diese für die Anwender in einer Cloud oder müssen/können Ihre Kunden die Daten selbst verwalten?

Petra Riesterer: Wir betreiben in unserer Unternehmensgruppe eine eigene Private Cloud. Unsere Kunden können diese nutzen und ihre Daten selbst verwalten, so haben sie die volle Kontrolle, gepaart mit dem Komfort eines Cloud-Services. Wir kümmern uns für sie um die Verfügbarkeit, den Speicherplatz und alle Anforderungen aus den Bereichen Datenschutz und Cybersecurity.

BS Brandschutz: Was sind letztendlich die Benefits von „Mein HPlus“?

Petra Riesterer: Es geht uns um drei Werte: Sicherheit, Zeit und Wettbewerbsfähigkeit. Durch geführte Prozesse in unserer „Mein HPlus Service-App“ können sich die Verantwortlichen ganz auf die Sicherheit der Brandschutzsysteme verlassen. Übersehene Prüfschritte oder unvollständige Prüfprotokolle sind nahezu ausgeschlossen. Zudem versorgen wir die Anwender zur richtigen Zeit mit der relevanten Information, um Fehler und Mängel zu beheben, Softwarestände zu aktualisieren oder zu tauschende Komponenten rechtzeitig mit den Betreibenden planen zu können. Wir wissen, dass viele Systeme insbesondere im Bereich der Brandschutztüren und Feststellanlegen nicht ausreichend instandgehalten werden. „Mein HPlus“ zeigt einen einfachen und sicheren Weg auf, das Instandhaltungsgeschäft aufzunehmen und auszuweiten.

Der zweite Wert bezieht sich auf die knappe Verfügbarkeit und die Zeit von Mitarbeitenden – Stichwort Fachkräftemangel. „Mein HPlus“ hilft, die Mitarbeitenden im Büro und unterwegs zu entlasten, um mehr Fokus auf die echte Wertschöpfung im Gebäude und mit den Betreibenden richten zu können. Vorgänge wie Prüfprokotokolle vorbereiten, ausfüllen und archivieren können weitestgehend durch „Mein HPlus“ ersetzt oder stark vereinfacht werden. Das System sorgt auch dafür, Anfahrten zu reduzieren oder Einsätze zu kombinieren und so Fahrtzeit und -kosten zu sparen.

Wir sind davon überzeugt, dass Wettbewerbsfähigkeit, auch bei unseren Kunden, nur durch die Digitalisierung aufrechterhalten werden kann. Die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt in unserer Branche deutlich zu. Um weiterhin den Überblick zu behalten, brauchen wir gemeinsam verlässliche Strukturen und Partnerschaften.

BS Brandschutz: Bei der Anwendung von BIM soll irgendwann einmal ein digitales Modell das Gebäude vom ersten Planungsstadium bis zum Abbruch begleiten. Für die Betriebsphase heißt das, dass alle gebäudetechnischen Geräte samt Fehlermeldungen und Wartungsterminen erfasst und weiterverarbeitet werden. Also im Grunde werden die Dienste, die „Mein HPlus“ für Ihr Gewerk bietet, auf das ganze Gebäude ausgeweitet. Wie schätzen Sie diese Entwicklungsmöglichkeiten (auch zeitlich) ein und haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie sich Ihr Angebot in einen solchen Prozess integrieren lässt?

Petra Riesterer: Wir wissen, dass die Gebäudebetreiber jeweils über das gesamte Objekt den Überblick haben müssen und die Datenbasis hierzu aus der Planungsphase kommt. Dafür gibt es heute schon sehr gute Lösungen. Dennoch brauchen wir die Experten und zertifizierten Errichter, um beispielsweise Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Hier können wir uns das Zusammenspiel von „Mein HPlus“ und anderen Anbietern von digitalen Lösungen sehr gut vorstellen. Das ist mit ein Grund, warum wir von Beginn an auf Cloud-Services gesetzt haben. Die Verbindungen und Integration von verschiedenen Cloud-Services ist deutlich leichter als die Anbindung an verschiedene Systeme, die durch Anwender individualisiert werden. Schlussendlich wird es dann möglich sein, Arbeitsergebnisse von einem Prozessschritt über die Cloud zu anderen Prozessen weiterzugeben. So könnten die Interessen aller am Gebäude beteiligten Akteure bedient werden. Kunden haben die Wahl zwischen einer Private Cloud der Unternehmensgruppe und der Selbstverwaltung, so Petra Riesterer.
Bild: Hekatron/Bashi Bender

Kunden haben die Wahl zwischen einer Private Cloud der Unternehmensgruppe und der Selbstverwaltung, so Petra Riesterer.
Bild: Hekatron/Bashi Bender

BS Brandschutz: Mit „Mein HPlus“ hat Hekatron sicher einen schönen Beitrag zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen geliefert. Digitalisierung besteht aber nicht nur aus Organisation. Ein nächster Schritt könnte die Nutzung von KI sein. Sehen Sie in Ihrem Beritt Ansatzpunkte für die Nutzung von KI und was könnte sich damit verbessern?

Petra Riesterer: Der Mehrwert der Digitalisierung steht in direktem Zusammenhang mit der Qualität der verfügbaren Daten. „Mein HPlus“ sorgt bereits für eine strukturierte Datenbasis. KI kann aber auch aus einem sogenannten Data Lake an unstrukturierten Daten Informationen ableiten und zu maßgeblichen Prozessverbesserungen beitragen. Wir arbeiten in unserem Innovationsmanagement an den Möglichkeiten, wie KI einen Beitrag leisten kann — für unsere eigenen Geschäftsprozesse und in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Die Entwicklung in diesem Feld ist rasant und wir müssen diese Technologie für unsere Branche gemeinsam erforschen und integrieren.

BS Brandschutz: Zum Schluss gehen wir ein paar Schritte über das Thema Brandmeldetechnik hinaus. Wo sehen Sie aktuell Ansatzpunkte in unserer Brandschutz-Branche für die Digitalisierung, BIM-Integration und KI?

Petra Riesterer: Das drängendste Thema ist der Fach- und Arbeitskräftemangel. Hier wird uns die Digitalisierung und auch KI helfen, die fehlenden Ressourcen auszugleichen. Darüber hinaus wird die Digitalisierung des Bauwesens, BIM eingeschlossen, die Nachhaltigkeit von Gebäuden transparent machen und voranbringen. Wir können aufzeigen, wie der anlagentechnische Brandschutz zukunfts-
sichere und nachhaltige Strukturen in Gebäuden ermöglicht. Die Zusammenarbeit von allen Stakeholdern an einem Bauvorhaben kann perspektivisch nur durch Digitalisierung und BIM-Integration gelingen. Kein Player in der Wertschöpfungskette kann die Digitalisierung allein lösen. Es braucht kooperative Ansätze. Hier stehen wir noch am Anfang in der Bau- und Brandschutzbranche. Dagegen ist KI eine Technologie, die es jedem Mitarbeitenden erlaubt, sie in den Arbeitsalltag und in sein fachliches Umfeld einfließen zu lassen. Ich bin sehr gespannt, wo wir in zwei Jahren stehen werden.

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