Welches Glas ist optimal für Fluchttüren?

Brandschutzgläser für Notfall- und Paniktüren

Bei Fluchttüren wird zwischen Notausgangs- und Paniktüren unterschieden. Wo welche Tür zum Einsatz kommt, ist abhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der eine Panik ausbrechen kann, und ist in verschiedenen Normen geregelt. Warum es hier nicht genügt, Sicherheitsgläser nach DIN EN 356 einzusetzen und welche Anforderungen die Türen erfüllen müssen, erläutert dieser Beitrag.

Eine Notfallsituation tritt nach EN DIN 179 und 1125 ein, wenn für eine Person oder für eine Personengruppe eine lebensbedrohliche Situation entsteht, das Entstehen einer Panik jedoch eher unwahrscheinlich ist, weil die Nutzer oder Bewohner z. B. im Brandfall mit den Fluchtwegen vertraut sind und so kontrolliert der Gefahr entkommen können. Dies trifft bspw. auf Wohngebäude zu. Türen, die in öffentlichen Gebäuden wie Versammlungsräumen, Theatern, Kinos, Diskotheken oder Ähnlichem innerhalb von Flucht- und Rettungswegen verbaut sind, werden dagegen in der Regel als Paniktüren ausgeführt. Denn hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Flüchtenden im Brandfall nicht mit den Fluchtwegen vertraut sind. Die Folge: Wenn aufgrund einer lebensbedrohlichen Situation wie einem Brand viele Menschen oder Menschenmassen aus einem Gebäude fliehen müssen, kann Panik entstehen. Sowohl Notfall- als auch Paniktüren sind per Norm Türen, die sich in Fluchtrichtung verhalten wie unversperrte Türen, während sie in Eingangsrichtung normal geöffnet und geschlossen werden können. Die Entscheidung, wo sinnvollerweise ein Panikverschluss mit Stangengriff anzubringen ist, liegt beim Architekten/Planer, ggf. in Abstimmung mit dem Verfasser des Brandschutznachweises oder der zuständigen Baubehörde.

Weitere Aspekte wie Einbruchhemmung

Die Europäische Norm EN 1627 definiert die einbruchhemmenden Eigenschaften von Türen und Fenstern im Allgemeinen. Allerdings: Diese Norm beschreibt zwar den Angriff auf die Konstruktion und die zugehörigen Bauteile, jedoch nicht den direkten Angriff auf das Glas. Die Folgenormen 1628-statische Belastung, 1629-dynamische Belastung und 1630-manuelle Prüfung ergänzen diesbezüglich die EN 1627.

Anti-Panik-Türen in öffentlichen Gebäuden sind sehr oft mit Panikbeschlägen nach der Norm EN 1125 ausgestattet – also mit einer durchgehend verbauten horizontalen Betätigungsstange und mit einem Panikschloss. In Paniksituationen gewährleistet diese Konstruktion flüchtenden Personen das Öffnen der Tür in Fluchtrichtung, unabhängig davon, ob das Türschloss verriegelt wurde oder nicht. Und hier verbirgt sich eine konstruktive Schwachstelle bei der Absicherung eines Gebäudes: Um das Gebäude entsprechend sichern zu können, sollte für Paniktüren mit Lichtausschnitt eine Glasfüllung mit einbruchhemmenden Eigenschaften gewählt werden. Bei Anti-Panik-Türen genügt es allerdings nicht, Sicherheitsgläser nach DIN EN 356 einzusetzen, denn es ist möglich, in kurzer Zeit eine kleine Öffnung in das Glas zu schlagen, um mit einem Werkzeug oder der Hand durchzugreifen und die Stange oder den Drücker auf der Innenseite der Tür zu betätigen.

Einsatz von Polycarbonat im Verbund mit Glas

Das Ergebnis: Die Tür lässt sich in kurzer Zeit öffnen und die Widerstandsklasse ist nicht erreicht. Daher hat es sich bewährt, in Anti-Panik-Türen Sicherheitsgläser aus Glas und Polycarbonat einzusetzen. Auch die EN 1627 empfiehlt hierfür den Einsatz von Polycarbonat im Verbund mit Glas. Herkömmliche Verbundgläser, die die gleiche Widerstandsklasse bei einem direkten Glasangriff nach EN 1627 erreichen könnten, wären im Aufbau einfach viel zu dick und daher in der Konstruktion einer Tür nicht einsetzbar. Vetrotech Saint-Gobain bietet dazu mit der „Polygard Attack-Serie“ geprüfte Produkte für die Widerstandsklassen RC2 bis RC4. „Polygard Attack AP 8“ z. B. erfüllt den Glasangriff in der Widerstandsklasse RC2 Antipanik.

Fazit

Nur Produkte mit Polycarbonat erreichen genügend durchbruchhemmenden Widerstand bei Türen mit Anti-Panik-Funktion und sollten daher immer die erste Wahl sein für Anti-Panik-Türen nach der Norm EN 1627.

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