Thermografie deckt Risiken auf

Sichere Elektroinstallationen

Die Elektrik in vielen Gebäuden wird immer umfangreicher und komplexer. Dadurch steigen die Anforderungen an Gebäudeverwaltung, Haustechnik und Brandschutzbeauftragte. Mit Wärmebildkameras lassen sich Schäden frühzeitig identifizieren. Der Einsatz hochtechnologisierter Geräte durch erfahrenes, spezialisiertes Prüfpersonal ermöglicht die vorgeschriebenen VdS-Prüfungen ohne Betriebsunterbrechungen an kritischen Anlagenteilen.

Warum die Prüfung elektrischer Anlagen aus Gesichtspunkten des Brandschutzes wichtig ist, zeigt ein Beispiel: Durch Glück wurde der Brand im Verwaltungsgebäude einer Industrieschreinerei frühzeitig entdeckt. Das beherzte Eingreifen einer geschulten Mitarbeiterin und das schnelle Eintreffen der Feuerwehr verhinderten, dass die Flammen auf das angrenzende Holzlager und die Produktionshalle übergriffen.

Angesichts des baufertigen, trockenen Holzes, Sägespänen sowie unterschiedlichster Stoffe zur Nachbehandlung der Produkte hatte das Unternehmen erhöhte Sicherheitsanforderungen an den Brandschutz. Das Feuer ging von einem Schaltschrank der elektrischen Anlage des Gebäudes aus. Dieser war, wie alle elek­trischen Anlagen und Betriebsmittel, ordnungsgemäß geprüft worden. Die Isolation war äußerlich intakt und zum Zeitpunkt der Prüfung konnten keine erhöhten Temperaturen oder besonderen optischen Auffälligkeiten festgestellt werden.

Wie konnte der Brand also überhaupt entstehen? Die ungünstige Anordnung einiger Kabelstränge sorgte gemeinsam mit einer unzureichenden Abschirmung dafür, dass sich die Leitungen unter starker Last punktuell übermäßig erhitzten – bis sich die Ummantelungen und in der Nähe gelagertes brennbares Material schließlich entzündeten.

Bringen Prüfungen ­ausreichende Sicherheit?

Der Fall ist keine Seltenheit. Rund ein Drittel aller Brände in Deutschland ist auf eine mangelhafte Elektrik zurückzuführen (Quelle: Ursachenstatistik Brandschäden 2021, IFS Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung). Fehler in der Planung, Ausführung, dem Betrieb und der Wartung führen bisweilen zur Überlastung elektrischer Komponenten. In der Folge kann es zu übermäßiger Erhitzung kommen. Kritische Punkte sind Hauptverteiler, Kabelanschlüsse und Schaltschränke – aber auch Serverschränke und Transformatoren. Um die Betriebssicherheit zu gewährleisten und Personen- und Sachschäden zu vermeiden, müssen elektrische Anlagen daher fachgerecht gewartet und regelmäßig geprüft werden. Diese Prüfungen können dabei leider nicht immer vollständig durchgeführt werden, denn für die notwendigen Messungen des Isolationswiderstandes der Anlagen sind Abschaltungen und Betriebsunterbrechungen zwingend erforderlich. Ohne die Durchführung dieser Messungen ist die Vollständigkeit der Prüfaussagen nicht mehr gegeben und die Qualität der entsprechenden Untersuchungen deutlich eingeschränkt.

Dies ist einer der Gründe dafür, warum diverse Versicherungsgesellschaften mittlerweile verstärkt die zusätzliche elektrothermografische Prüfung von elektrischen Anlagen fordern. Die Vorteile: Wärmebildkameras machen die Infrarotstrahlung elektrischer Anlagen sichtbar. Auffällige Temperaturen und Temperaturdifferenzen weisen auf defekte Komponenten oder weitere unsichtbare Mängel hin. Die Thermografie erlaubt dabei eine Zustandsanalyse im laufenden Betrieb, auch unter Spitzenlasten. Die Prüfung erfolgt berührungslos, was das Risiko für das Prüfpersonal reduziert.

Klares Bild der (An-)Lage sehen

Selbst einfache Infrarotkameras bringen im Rahmen der wiederkehrenden Prüfungen nach VdS-Schutzklausel 3602 bereits zusätzliche Sicherheit. Ersetzen können sie diese indes nicht. Die dafür nötigen Messungen von Isolationswiderständen erfordern, die Anlage zeitweise abzuschalten. Zudem führt die hohe Komplexität thermografischer Untersuchungen bisweilen zu Fehldiagnosen, wenn sie nicht von speziell geschulten Fachkräften vorgenommen werden. Hierfür gibt es die eigenständige Prüfdienstleistung der Elektrothermografie. Die Prüfung, welche mit modernen, spezialisierten Hochleistungsgeräten durch ausgebildete und zertifizierte Elektrothermografen durchgeführt wird, bringt dabei noch weitere Vorteile. Experten dieses Fachbereiches können elektrische Anschluss- und Verbindungselemente auf Schwachstellen hin untersuchen, Messungen auch an Mittel- und Hochspannungsanlagen vornehmen und mithilfe von Drohnen sogar elek­trische Freileitungen und Freiluftanlagen inspizieren. Qualifizierte Fachkräfte kennen die Feinheiten thermografischer Aufnahmen, können die Bilder richtig interpretieren und wissen mit reflektierender Temperatur und Emissionsgraden umzugehen.

Spezielle Software und Rechenmethoden ermöglichen, die Ergebnisse an die Betriebs- und Umgebungsbedingungen zum Zeitpunkt der Prüfung anzupassen und somit Daten aus dem Normalbetrieb auf besondere Lastsituationen hochzurechnen. Die fertigen Thermogramme zeigen die Oberflächen-Temperaturverteilung. Dabei werden durch die Elektrothermografen Mängel identifiziert und ggf. mit einer Ursachenbeschreibung hinterlegt. TÜV SÜD stellt auf Kundenwunsch seine Untersuchungsergebnisse in Papierform und auf einer eigenen Online-Plattform bereit, die wie ein elektronisches Prüfbuch funktioniert. Durch die Durchführung von wiederkehrenden elektrothermografischen Untersuchungen in regelmäßigen Zeitabständen können so Veränderungen über den Lebenszyklus einer Anlage diagnostiziert werden. Auffällige oder besorgniserregende Änderungen können dabei identifiziert und speziell beobachtet werden.

Prüfung als Betriebsoptimierung

Die Elektrothermografie ermöglicht eine vorbeugende Instandhaltung und vermeidet kostspielige Anlagenausfälle. Das Verfahren ergänzt bisherige Prüfmethoden und kann optimal in einen regelmäßigen Wartungs- und Instandhaltungsplan integriert werden. Gebäudebetreiber erhöhen damit die Sicherheit von Personen und Sachwerten. Unternehmen vermeiden zudem Produktionsausfälle.

Bei Neuanlagen deckt die Elektrothermografie Installationsfehler auf und sichert deren Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Ein Kühlmanagement elektrischer Anlagen lässt sich mit Wärmebildkameras leicht analysieren. Materialverschleiß, der die Leistung der Anlage beeinflusst, kann frühzeitig erkannt und ausgebessert werden. Eine professionelle elektrothermografische Prüfung erleichtert zudem den Abschluss von Feuerversicherungen, wenn Anbieter entsprechende Nachweise einfordern. So sorgen Betreiber gleich doppelt für Sicherheit und sind im Zweifel auch gegen Haftungsrisiken gewappnet.

Die Forderung nach einer Prüfung elektrischer Anlagen ergibt sich unter anderem aus dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), der DGUV Vorschrift 3 bzw. DGUV Vorschrift 4 sowie durch verschiedene VDE-Bestimmungen. Die genaue Durchführung der elektrothermografischen Prüfung regelt die Norm DIN 54191. Die Richtlinie VdS 2858 beschreibt, wie der zugehörige Untersuchungsbericht und die rechtssichere Dokumentation aussehen müssen. Sie empfiehlt ein Prüfintervall von einem Jahr. Die Prüfdokumentation in einem rechtssicheren Untersuchungsbericht folgt VdS 2860.

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