Zertifikat ist nicht gleich Zertifizierung

Braucht Qualität im Sachverständigenwesen Regulierung?

Sachverständigen im Bauwesen wird eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen. Dies liegt daran, dass mit der Tätigkeitsbezeichnung eine konkrete Vorstellung in Bezug auf besondere Sachkunde, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verbunden wird. Woran sind aber genau diese Merkmale erkennbar?

Probleme möglichst schon während der Bauphase zu identifizieren und damit Mängeln und Schäden von vornherein zu vermeiden oder bei Eintritt zu diagnostizieren, Ursachen zu ermitteln und Auswege zu beschreiben, sind typische Tätigkeiten von Gutachtern und Sachverständigen für Bauherren, Planer und Bauausführende, aber natürlich auch für Versicherungen oder Gerichte. Es sind daher höchste Ansprüche an Sach- und Fachkunde zu stellen und dies zu jedem Zeitpunkt der Berufstätigkeit der Sachverständigen. Soweit, so bekannt und doch zu thematisieren?

Ja, denn die Bezeichnung „Sachverständiger“ ist in Deutschland nach wie vor nicht geschützt und damit auch weitgehend ungeregelt. Es darf die eigene Dienstleistung als Sachverständiger anbieten, wer immer für sich in Anspruch nimmt, in einem bestimmten Gebiet über ein überdurchschnittliches Maß an Wissen zu verfügen. Dabei sollte im Minimum vorausgesetzt werden, dass ein Hochschulabschluss erlangt bzw. eine adäquat qualifizierende fach­einschlägige berufliche Aus- und Weiterbildung absolviert wurde und ein hinreichendes Maß an Berufserfahrung vorliegt. Einer formalen Überprüfung unterliegen freie Sachverständige diesbezüglich jedoch nicht. Erkennen Fach- oder Interessenverbände Sachverständige an, geschieht dies nach internen, nicht harmonisierten Regularien.

Öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen

In aufwendigen standardisierten Verfahren wird die besondere Sachkunde nachgewiesen, wenn eine öffentliche Bestellung und Vereidigung gem. § 36 GewO erlangt werden soll. Besteht ein Bedarf an entsprechenden Sachverständigenleistungen und wird die besondere Sachkunde nachgewiesen, so kann bestellt werden, soweit keine Bedenken gegen die persönliche Eignung bestehen. Darüber hinaus wird ein Eid geschworen, dass die Sachverständigen­aufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch ausgeführt werden. Neben allgemeinen technischen Kenntnissen sind sachgebietsspezifische und Rechtskenntnisse wie auch die Kompetenz der Begutachtung nachzuweisen und dies nicht einmalig, sondern fortlaufend während des Bestellungszeitraumes. Bestellungsaufgaben sind in Deutschland den Kammern (IHK, IK, AK, HWK) vorbehalten und damit geschützt. Dass es sich hierbei um ein etabliertes und bewährtes Verfahren insbesondere für den hohen Anspruch an die Sachverständigenleistungen im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen handelt, ist nicht anzuzweifeln.

Personenzertifizierte Sachverständige

Dennoch hat sich die EU gegen das deutsche Modell entschieden und das vergleichbar anspruchsvolle Verfahren der Personenzertifizierung nach der international anerkannten Norm DIN EN ISO/IEC 17024 eingeführt. Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt durch die sog. Dienstleistungsrichtlinie (Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht und in weiteren Rechtsvorschriften vom 17.07.2009) wurden einschlägige Gesetze zugunsten personenzertifizierter Sachverständiger geöffnet. Diese Entwicklung ist durchaus zu begrüßen, da nicht mehr nur Kammern besondere Qualifikationen und Kompetenzen zuerkennen können, sondern diese Aufgaben EU-einheitlich nunmehr auch von privatrechtlich organisierten Stellen wahrgenommen werden dürfen.

Weiterbildung für Sachverständige

Qualifikationsnachweise spielen sowohl bei der öffentlichen Bestellung und Vereidigung als auch der Personenzertifizierung eine wichtige Rolle, die besondere Sachkunde zu dokumentieren. Jedoch ist der Weiterbildungsmarkt für Sachverständige vielfältig und teilweise intransparent. Auch bei Gleichklang der Abschlussbezeichnungen finden sich bei genauerem Hinsehen z. T. erhebliche Unterschiede bei der Festlegung von Zulassungsvoraussetzungen, in Breite, Tiefe und Umfang der vermittelten Lehrinhalte und auch in der Art und dem Niveau der zu absolvierenden Kompetenzprüfungen. Weitgehende Vergleichbarkeit kann bei Weiterbildungsangeboten zur Vorbereitung auf die öffentliche Bestellung festgestellt werden, was nicht wundert, da auf ein definiertes Qualifikationsniveau hingearbeitet wird. Für die sich daran bestenfalls noch orientierenden Bildungsangebote wäre die allgemeinverbindliche Festlegung von Anforderungsprofilen für Sachverständige der Schlüssel zur Überwindung dieser ­Unterschiede.

Ähnlich indifferent erfolgt die Ausstellung von Zertifikaten, die dem Nachweis der erlangten Kompetenz dienen und damit das Leistungspotenzial des Inhabers für Arbeit- und Auftrag­geber prognostizierbar machen soll. Es fehlt an verbindlichen einheitlichen Qualitätsmerkmalen dafür, wann und durch wen ein Zertifikat ausgestellt wird. Kriterien könnten sein: Dauer und Umfang der Bildungsmaßnahme, Anwesenheitsverpflichtungen, strukturiertes Curriculum, transparente, angemessene Prüfungsleistungen u.a. Leider sind insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Bereich Gebühren finanzierter Weiterbildung die Unterschiede zwischen Zertifikat und dem, was dahinter steht, häufig unübersehbar.

Akkreditierung der Zertifizierer

Diese Inhomogenität setzt sich im möglichen Übergang von qualifizierten Sachverständigen in die Personen­zertifizierung fort. Seit Einführung des Verfahrens wächst die Zahl der Zertifizierer. Auch wenn sich das Verfahren im Bausachverständigenbereich in Deutschland noch nicht etabliert hat, sind Zweifel berechtigt, ob vergleichbare Qualität der Zertifizierungsstellen allein durch die Vorgaben der Norm erreicht werden kann. Jede Zertifizierungsstelle könnte zur Überprüfung und zum Nachweis ihrer Kompetenz die Akkreditierung durch die nationale Akkreditierungsstelle der Bundes­republik Deutschland DAkkS beantragen, die als einzige diese hoheitliche Aufgabe in Deutschland als beliehene Stelle des Bundes wahrnimmt. Aber eine Akkreditierung ist bislang nicht verpflichtend. Dies wäre jedoch hilfreich, um den Stellen und dem Verfahren selbst Reputation zu verleihen und Vertrauen bei Nachfragern wie z. B. den Gerichten, Behörden, Planern und Bauherren bezüglich der Sachverständigen zu schaffen.

Es soll nicht das Ziel sein, den Markt auf Seiten der Weiterbildungsanbieter, der Zertifizierer oder gar der Erbringer von Sachverständigenleistungen zu beschränken. Vielmehr geht es darum, dass Sachverständige auch künftig ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen nicht verlieren. Dies kann nur durch die Qualitätssicherung in der Weiterbildung und gleichermaßen in der Tätigkeit der Zertifizierungsstellen erreicht werden.

EIPOSCERT ist eine akkreditierte Personenzertifizierungsstelle für Sachverständige in den Bereichen Immobilienbewertung, Schäden an Gebäuden und Vorbeugender bzw. Gebäudetechnischer Brandschutz. Seit Mitte 2018 ist die EIPOSCERT GmbH hundertprozentige Tochter der EIPOS GmbH. Beide Unternehmen verbindet das gemeinsame und konsequente Ziel hoher Qualität, auf Seiten der EIPOS GmbH in der Entwicklung und Sicherung hoher Standards in der Aus- und Weiterbildung der Sachverständigen und auf Seiten der EIPOSCERT GmbH in der Aufstellung fachlicher Zertifizierungsanforderungen und deren unabhängiger Prüfung und Überwachung auf Grundlage der DIN EN ISO/IEC 17024.

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