Was Planer und Betreiber wissen sollten

Brandschutz bei Aufzügen

Als zentrales Element der Gebäudeerschließung nehmen Aufzüge auch im Brandfall eine entscheidende Rolle ein. Dabei gibt es von der Brandfallsteuerung über den Feuerwehraufzug bis hin zur Schachtentrauchung einiges zu beachten.

Der Warnhinweis „Aufzug im Brandfall nicht benutzen“ prangt auf vielen Aufzugstüren. Und das aus gutem Grund, denn im Katastrophenfall wird der Aufzug schnell zur Falle, etwa wenn die Stromversorgung unterbrochen wird und der Aufzug steckenbleibt, oder wenn Rauch in die Kabine eindringt. Für neue Aufzugsanlagen sieht die DIN EN 81-73, die das Verhalten von Aufzügen im Brandfall regelt, eine sogenannte Brandfallsteuerung vor. Bei bestehenden Anlagen kann der Anlagenzustand durch ein Aufzugsunternehmen wie Schindler mit dem aktuellen Stand der Technik abgeglichen werden. Dadurch erhalten Planer und Betreiber auch Maßnahmenvorschläge für die Nachrüstung bzw. Modernisierung. Die Brandfallsteuerung sorgt dafür, dass der Lift bei einem Brand automatisch in eine vorher definierte Etage fährt – die sogenannte Brandfallhaltestelle – und dort mit geöffneten Türen stehenbleibt. Danach sind alle Taster auf allen Etagen und im Fahrkorb abgeschaltet und alle gespeicherten Fahrbefehle gelöscht. Der Aufzug kann nicht mehr benutzt werden. In den meisten Fällen ist die Brandfallsteuerung an die Brandmeldeanlage angeschlossen. Es ist aber auch möglich, dass sie von einem Druckknopfmelder manuell ausgelöst wird.

Statische vs. dynamische Brandfallsteuerung

Handelt es sich um eine statische Brandfallsteuerung, fährt der Aufzug im Brandfall nur eine festgelegte Bestimmungshaltestelle an. In der Regel ist dies das Erdgeschoss oder die durch das Evakuierungskonzept bestimmte Ebene mit dem kürzesten gesicherten Ausgang direkt ins Freie. Problematisch kann das jedoch werden, wenn es auf der Bestimmungshaltestelle bereits brennt oder sich dort starker Rauch entwickelt hat. Mit einer statischen Brandfallsteuerung fährt der Aufzug in diesem Fall trotzdem die Ebene an und öffnet dort die Türen. Bei einer dynamischen Brandfallsteuerung besteht diese Gefahr nicht. Zwar fährt der Aufzug auch hier in die festgelegte Haltestelle. Wird von dort jedoch Feuer oder Rauch gemeldet, weicht der Aufzug in eine zweite definierte Haltestelle aus. Sollte auch hier der Brandmelder bereits Alarm geben, kann in eine weitere Alternativhaltestelle gefahren werden, wenn diese zuvor festgelegt wurde. Das setzt natürlich voraus, dass im Gebäude eine Brandmeldeanlage installiert ist, die in allen Geschossen mindestens die Bereiche vor den Aufzügen mit automatischen Brandmeldern überwacht. So wird vermieden, dass der Aufzug in einem verrauchten oder brennenden Geschoss stehen bleibt und seine Türen öffnet.

Feuerwehraufzüge für den Einsatz in Hochhäusern

Aber nicht alle Aufzüge dürfen im Brandfall stillgelegt werden. Bei Gebäuden oberhalb der Hochhausgrenze sind Aufzüge, die von der Feuerwehr im Brandfall für Lösch- und Evakuierungsmaßnahmen genutzt werden können, sogar vorgeschrieben. Darüber, wie ein Feuerwehraufzug ausgestattet sein muss, gibt es keine einheitliche Regelung. Es gelten zwar die Euronorm DIN EN 81-72 und die Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR). Zum Teil unterscheiden sich die Hochhaus-Richtlinien der Bundesländer jedoch in bestimmten Details. Einige Länder haben aber auch die MHHR übernommen oder legen ihre Gültigkeit in der Baugenehmigung fest. Hinzu kommt aber, dass bei der konkreten Ausgestaltung des Feuerwehraufzugs die zuständige Feuerwehr entscheidet. Insofern sollten Planer und Brandschutz-Sachverständige die örtliche Feuerwehr und Aufzugshersteller bereits frühzeitig in den Planungsprozess einbinden. In der Regel handelt es sich bei einem Feuerwehraufzug um einen normalen Personenaufzug, der über einen Schlüsselschalter im Vorraum der Zugangsebene auf Feuerwehrbetrieb umgestellt werden kann. Die Muster-Hochhaus-Richtlinie sieht vor, dass es Haltestellen auf jeder Etage gibt. Zudem muss jede Stelle eines Geschosses vom Feuerwehraufzug aus in 50 m Lauflinie erreichbar sein. Aus diesem Grund ist der Feuerwehraufzug in einigen Gebäuden von den anderen Aufzügen und Aufzuggruppen separiert. Weiterhin sind bei Feuerwehraufzügen laut EN 81-72 und MHHR brandgeschützte Vorräume mit einer Mindestgröße von 6 m² verpflichtend. Gleichzeitig fordert die Richtlinie, dass sich Aufzug und Vorraum für den Transport von Krankentragen eignen müssen. Für die Kabine sollte daher mit einer Mindestgröße von 1,10 m in der Breite und 2,10 m in der Tiefe geplant werden. Steigleitungen und Wandhydranten im Vorraum jeder Etage gehören ebenfalls zur Ausstattung. Auf diese Weise soll gewährleistet sein, dass es der Feuerwehr im Notfall möglich ist, in jeder Etage vom Aufzug aus Brandbekämpfungs- und Rettungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Da bei der Brandbekämpfung auch Löschwasser in den Schacht gelangen kann, müssen die elektrischen Einrichtungen im Schacht und am Fahrkorb gegen Tropf- und Spritzwasser geschützt werden. Auch die Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit des Schachtes sind höher als bei gewöhnlichen Aufzügen.

Selbstbefreiung ermöglichen

Damit die Feuerwehrkräfte auch von der Kabine aus Einblick in die jeweilige Etage haben, ist bei Feuerwehraufzügen eine fest verglaste Sichtöffnung in Fahrschacht- und Fahrkorbtüren vorgesehen. Von dort aus sollen auch die Geschosskennzeichnungen erkennbar sein, die in den Vorräumen angebracht sein müssen. Für den Fall, dass sich Feuerwehrkräfte in einer Notsituation selbst aus der Kabine befreien müssen, verfügen Feuerwehraufzüge über eine Notklappe in der Fahrkorbdecke. Diese ist so groß, dass ein Feuerwehrmann in Montur durchpasst und auf das Kabinendach gelangen kann. Zudem muss eine tragbare Leiter zugänglich sein, mit der sowohl die Öffnung in der Kabinendecke als auch von dort aus die nächstgelegenen Fahrschachttüren erreichbar sind. Für Hochhäuser sieht die MHHR sogar ortsfeste Leitern im Schacht vor.

Unkontrollierte Schachtentrauchung nicht mehr zeitgemäß

Während es bei Feuerwehraufzügen durch die brandgeschützten Vorräume und feuerbeständigen Schachttüren weitestgehend vermieden werden kann, dass Rauch in den Schacht eindringt, kann der Rauch bei gewöhnlichen Aufzugsanlagen im Brandfall über den Schacht schnell in andere Etagen strömen. Um das zu verhindern, schreiben die Landesbauordnungen bei Fahrschächten von Aufzügen eine sog. Schachtentrauchung vor. Brandgase und Rauch sollen durch eine permanente Öffnung im Schachtkopf, die i.d.R. mindestens 2,5 % der Schachtgrundfläche groß sein muss, abziehen können. Dieser Rauchabzug sorgt aber nicht nur dafür, dass der Schacht belüftet wird, sondern hat auch einen negativen Effekt: Durch die klassische Schachtentrauchung entweicht unnötig Wärmeenergie. Die warme Luft aus Fluren und Gängen strömt durch die Spalten der Schachttüren, wird aufgrund der Thermik nach oben gesaugt, gelangt über den Abzug nach draußen und verschlechtert so die Energiebilanz der Gebäudehülle. Daher ist heute bei Neubauten eine gesteuerte Schachtentrauchung Standard. Bei dieser Variante wird eine luftdichte Entrauchungsklappe eingesetzt, die im Regelfall geschlossen ist. Zugleich analysieren Rauchmeldesysteme permanent die Luft im Aufzugsschacht. Sobald eine Veränderung festgestellt wird, öffnet sich die Lüftungsklappe automatisch. Dies ist z.B. der Fall, wenn Rauch im Schacht erkannt wird oder die Temperatur über 30 °C steigt. Auch wenn der Aufzug intensiv genutzt wird, sorgt ein solches Schachtentlüftungssystem dafür, dass Schacht und Kabine mit Frischluft versorgt werden. Und selbst bei einem Stromausfall wird die Lüftungsklappe über die mechanische Federrückstellung geöffnet. Das Schindler Schachtentlüftungssystem lässt sich auch an eine bestehende Brandmeldeanlage im Gebäude anschließen und auch im Bestand bauantragsfrei nachrüsten. Durch die eingesparten Heizkosten amortisiert sich diese Investition schnell.

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